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Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst H. Gombrich
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Puritaner nannte, das heißt ungefähr: die
Reinen. Ihnen war jeder Prunk und jedes Wohlleben von vornherein verhasst. Ihr
Führer im Kampf gegen den König war ein armer Adeliger, Oliver Cromwell, ein
ungewöhnlich frommer und tapferer Krieger von gewaltiger Willenskraft und auch
Rücksichtslosigkeit. Er nahm mit seinen streng gedrillten und tiefgläubigen
Truppen König Karl I. nach langen Kämpfen gefangen und ließ ihn vor ein
Kriegsgericht stellen. Der König wurde zum Tode verurteilt und im Jahre 1649
geköpft, weil er die Versprechungen der Könige nicht gehalten und seine Macht
missbraucht hatte. Seitdem herrschte Cromwell in England. Nicht als König,
sondern als »Beschützer des Landes«, wie er sich nannte. Und er nannte sich
nicht nur so, er war es auch. All das, was Elisabeth begonnen hatte, die
englischen Kolonien in Amerika und die Handelsniederlassungen in Indien, die
tüchtige Flotte und der große Seehandel, waren auch für ihn das Wichtigste. Er
richtete seinen ganzen Scharfsinn und seine ganze Willenskraft darauf, Englands
Macht in all diesen Dingen zu stärken und die benachbarten Holländer möglichst
zu schwächen. Als nach seinem Tod bald wieder Könige in England zur Herrschaft
kamen (seit 1688 war es ein holländisches Königshaus), war das Regieren nicht
mehr schwer. Es ging immer weiter aufwärts. Aber bis heute hat es kein König mehr
gewagt, die alten Versprechungen des großen Briefes zu brechen.
    Die französischen Könige hatten es leichter. Dort gab es keinen
großen Brief. Auch hatten sie ein wohlhabendes, volkreiches Land zu
beherrschen, das nicht einmal die schrecklichen Religionskriege ganz zugrunde
richten konnten. Vor allem aber war ja zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges der
wunderbar gescheite Minister Kardinal Richelieu der eigentliche Herrscher von
Frankreich gewesen, der für das Land mindestens so viel tat wie Cromwell für
England. Vielleicht noch mehr. Er verstand es nämlich, den Rittern und
Vornehmen jede Möglichkeit zu nehmen mitzureden. Durch Geschicklichkeit und
Schlauheit hat er diesen Mächtigen des Landes allmählich ihre Macht aus der
Hand gespielt. Er war wie ein guter Schachspieler, der jede Stellung
auszunützen versteht und aus einem kleinen Vorteil gleich einen größeren
herausholt. So hat er allmählich die ganze Macht zu sich hingespielt und, wie
du gesehen hast, auch die Macht für Frankreich in Europa. Denn da er im
Dreißigjährigen Krieg den deutschen Kaiser überwinden half, da Spanien verarmt,
Italien zerstückelt und England noch nicht so mächtig war, galt Frankreich beim
Tod Richelieus das einzige Land, das damals zählte. Kurz nach dem Tod des
Kardinals kam im Jahre 1643 König Ludwig XIV. zur Herrschaft. Er war damals
fünf Jahre alt und hält bis heute den Weltrekord im Dauerregieren. Denn er
regierte bis 1715, also 72 Jahre. Und dabei hat er wirklich regiert. Natürlich
nicht als Kind; aber kaum war sein Vormund, Kardinal Mazarin, der in der Art
Richelieus weiterregiert hatte, gestorben, beschloss er, selbst zu herrschen.
Er gab den Befehl, dass nicht einmal ein Reisepass an irgendeinen Franzosen
ausgestellt werden dürfe, ohne dass er selbst die Bewilligung erteilt hätte.
Der ganze Hof lachte und meinte, das sei so eine Laune des jungen Herrschers.
Es wird ihm schon bald zuwider werden, meinten sie. Aber es wurde ihm nicht
zuwider. König sein war für ihn mehr als der Zufall einer königlichen Geburt.
Es war wie eine große Rolle in einem Theaterstück, die er nun sein Leben lang
spielen musste. Und kaum ein Mensch vor ihm oder nach ihm hat diese Rolle so
genau studiert und mit solcher Würde und mit solchem Pomp zu Ende gespielt,
ohne müde zu werden.

    Alle Macht, die die Minister Richelieu und Mazarin besessen hatten,
nahm er nun an sich. Die Adeligen hatten keine anderen Rechte, als ihm zusehen
zu dürfen, wie er seine Rolle spielte. Das feierliche Schauspiel, das
sogenannte Lever, fing schon um 8 Uhr früh an, wenn er geruhte, sich zu
erheben. Da kamen mit dem Kammerdiener und dem Arzt die Prinzen der Familie in
sein Schlafzimmer, man reichte ihm feierlich kniend zwei große, gepuderte
Lockenperücken, die wie wallende Mähnen aussahen. Er wählte die aus, zu der er
gerade Lust hatte, zog einen kostbaren Schlafrock an und setzte sich neben das
Bett. Nun durften schon die höchsten Adeligen, die Herzöge, ins Schlafzimmer
kommen, und während der König rasiert wurde, kamen seine Sekretäre, Offiziere
und andere Beamte. Dann

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