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Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst H. Gombrich
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dem
Dreißigjährigen Krieg gewesen war. Was protestantisch gewesen war, sollte so
bleiben, der eigentliche Machtbereich des Kaisers, Österreich, Ungarn und
Böhmen, blieb weiterhin katholisch. Schweden hatte nach dem Tod Gustav Adolfs
seinen Einfluss fast wieder verloren, behielt aber einige der in
Norddeutschland und an der Ostsee eroberten Landstriche. Nur die Gesandten des
französischen Ministers Richelieu setzten es durch, dass Frankreich viele
deutsche Festungen und Städte in der Nähe des Rheins bekam. Er war der
eigentliche Sieger in dem Kampf, der ihn gar nichts angegangen war.
    Deutschland war fast eine Wüste geworden. Kaum die Hälfte der
Einwohner war noch am Leben, und die lebten in schrecklicher Not. Manche
wanderten nach Amerika aus, andere versuchten, in fremde Heere einzutreten, da
sie ja nichts als kämpfen gelernt hatten.

    Zu all diesem Unglück und zu dieser Verweiflung kam noch ein
entsetzlicher Wahnsinn, der damals immer mehr Leute packte. Es war die Angst
vor bösem Zauber, die Angst vor Hexerei und vor Hexen. Du weißt, dass man auch
im Mittelalter abergläubisch war und an alle möglichen Gespenster glaubte. Aber
damals war es doch noch nicht so schlimm gewesen.
    Schlimmer wurde es schon unter den macht- und prachtliebenden
Päpsten der Zeit, die wir die Renaissance nannten, in der Zeit der neuen
Peterskirche und des Ablasshandels rund um das Jahr 1500. Diese Päpste waren
nicht fromm, aber dafür waren sie um so abergläubischer. Sie fürchteten sich
vor dem Teufel und vor aller möglichen Zauberei. Jeder der Päpste um 1500, die
ihren Namen durch herrliche Kunstwerke für alle Zeiten berühmt gemacht haben,
hat auch grimmige Befehle ausgesandt, die Zauberer und Hexen, besonders in
Deutschland, recht eifrig zu verfolgen.
    Du wirst fragen, wie man etwas verfolgen konnte, was es doch gar
nicht gibt oder gab. Aber das war eben das Entsetzliche. Wenn irgendeine Frau
im Dorf unbeliebt war, wenn sie den Menschen unheimlich oder unbequem wurde,
hat es plötzlich geheißen: »Sie ist eine Hexe! Sie ist schuld am Hagelwetter«,
oder: »Sie ist schuld an den Rückenschmerzen des Bürgermeisters.«
Rückenschmerzen nennt man ja auch heute noch »Hexenschuss«. Und nun wurde sie
verhaftet und gefragt, ob sie mit dem Teufel im Bund sei. Natürlich sagte sie
ganz entsetzt Nein. Aber da quälte und marterte man sie so lange in der
grässlichsten Art, bis sie halb tot vor Schmerzen und Verzweiflung alles zugab,
was man ihr vorhielt. Und das war das Ende. Denn nun hatte sie ja gestanden,
dass sie eine Hexe sei. Und so wurde sie lebendig verbrannt. Gewöhnlich fragte
man sie auch während der Marterung, die man Folter nannte, ob sie sonst noch
Hexen im Dorf wisse, mit denen sie zusammen gezaubert habe. Da gaben manche in
ihrer Schwäche irgendwelche Namen an, die ihnen gerade einfielen, nur damit die
Marter aufhören sollte, und nun wurden auch die anderen verhaftet, man
erpresste von ihnen ebenso ein Geständnis, und dann verbrannte man sie auch. Am
ärgsten wurde aber die Angst vor dem Teufel und der Hexerei in der
schrecklichen Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Hunderte und Tausende wurden
verbrannt in allen Teilen des Landes, in katholischen wie in protestantischen
Gegenden. Es hat wenig geholfen, dass manche Jesuitenpriester vor diesem
Wahnsinn warnten. Die Menschen lebten damals in ständiger, entsetzlicher Angst
vor unbekannten Zaubermächten und vor den Künsten des Teufels, und nur diese
Angst kann all die Scheußlichkeiten begreiflich machen, die an vielen, vielen
Tausenden unschuldigen Menschen verübt wurden.
    Das Merkwürdigste ist aber, dass es in derselben Zeit, in der das
Volk so abergläubisch war, einige Menschen gegeben hat, die die Gedanken des
Leonardo da Vinci und der anderen großen Florentiner nicht vergessen hatten.
Die sich weiter bemühten, die Augen aufzumachen und die Welt so zu erkennen,
wie sie wirklich ist. Und diese fanden das wirkliche Zaubermittel, mit dem man
erkennen kann, was sein wird und was gewesen ist, mit dem man herausbekommt,
aus welchen Stoffen ein Stern besteht, der Milliarden von Kilometern von uns
entfernt ist, oder wann genau eine Sonnenfinsternis stattfinden wird und von wo
auf der Erde sie sichtbar sein wird.
    Dieses Zaubermittel war das Rechnen. Nicht das Rechnen zwar haben
diese Menschen erfunden, das konnten die Kaufleute schon lange. Aber sie haben
immer klarer erfasst, wie viel in der Natur sich ausrechnen lässt. Wie jeder
Pendel, der 98

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