Eine Lady zu gewinnen ...
Mensch zu sein, und die ganze Angelegenheit mit ihrem toten Bruder war sehr traurig. Celia umrundete den Stall und wäre beinahe mit Gabe zusammengestoßen, der gemeinsam mit dem jungen Willy, einem der Stallburschen, das Gespann seines Phaeton am Zügel führte.
»Gabe! Was hast du vor?«, rief sie, während sie versuchte, ihr Gewehr hinter dem Rücken zu verbergen. »Alle machen sich furchtbare Sorgen um dich. Großmutter hat Jarret ganz schön zugesetzt, als er allein aus London zurückkam.« Sollte sie ihm verraten, dass die Waverlys auf Halstead Hall waren? Vielleicht besser nicht. Das würde ihn nur noch mehr durcheinanderbringen. Er sah ohnehin schon ziemlich mitgenommen aus. »Du musst ins Haus gehen und mit Großmutter reden …«
»Später. Wenn es dir nichts ausmacht, wäre es mir lieb, du würdest den anderen nicht verraten, dass du mich gesehen hast. Nur für ein paar Stunden, das ist alles.«
Ihr Blick wanderte zu dem Phaeton, dann zurück zu ihm, und schließlich dämmerte es ihr. »Du gehst weg, um ein Kutschenrennen zu fahren, stimmt’s?«
Er murmelte einen Fluch, doch dann bemerkte er, dass sie etwas hinter ihrem Rücken verbarg, und seine Augen wurden schmal.
»Und du bist unterwegs, um Zielschießen zu üben, nicht wahr?«
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte sie mit viel zu hoher Stimme.
»Ich sehe das Gewehr, das du erfolglos versuchst, hinter deinem Rücken zu verstecken«, sagte er. »Ich dachte, Großmutter hätte dir verboten, zu schießen.«
»Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.« Sie sah ihn besorgt an. »Du wirst mich doch nicht verraten, oder?«
»Du verrätst mich nicht, ich verrate dich nicht.« Er hielt inne, als ob er über etwas nachdachte, dann sagte er: »Übrigens …« Er drehte sich zu Willy und deutete auf die Jackentasche des Jungen.
Der Stallbursche zog einen Umschlag hervor und gab ihn Gabe, der nachdenklich auf ihn herabsah. Dann hob er den Blick und sah Celia an. »Ich möchte, dass du diesen Umschlag Miss Waverly gibst, falls mir etwas zustößt. Würdest du das für mich tun?«
Ein Schauer lief ihr über den Rücken. »Wo findet dein Kutschenrennen statt, Gabe?«, fragte sie.
Er zog eine Augenbraue hoch. »Wo übst du schießen?«
Sie biss sich auf die Lippen. Ihre Abmachung, sich gegenseitig nicht zu verraten, erschien ihr auf einmal recht töricht.
Er hielt ihr den Umschlag hin, doch als sie danach griff, hielt er ihn fest. »Versprich mir, dass du ihn nicht öffnest oder aus der Hand gibst, es sei denn, mir stößt etwas zu.«
Sie zögerte. Aber wenn sie herausfinden wollte, was hier los war, tat sie besser, was er von ihr verlangte. Doch zur Sicherheit kreuzte sie die Finger hinter ihrem Rücken, bevor sie antwortete. »Ich verspreche es.«
Er ließ den Umschlag los, und sie steckte ihn in die Schürze ihres Kleids. Dann sah sie ihm nach, wie er auf seinen Phaeton stieg und die Pferde zum Trab antrieb.
Sobald er verschwunden war, wandte sie sich zu Willy. »Weißt du, wohin er fährt?«
»Nein, Miss, er hat nichts gesagt.«
Sie zog den Umschlag hervor und starrte ihn an. Es sah Gabe nicht ähnlich, Briefe für irgendjemanden zu hinterlassen, bevor er zu einem Rennen antrat. Er ging immer davon aus, dass er gewann – und unverletzt blieb. Das war es, was ihn in Schwierigkeiten gebracht hatte.
Aber in letzter Zeit war er verändert gewesen, launisch und aufbrausend, und er trug kein Schwarz mehr. Nahm sie hinzu, was man ihr von den Eröffnungen der letzten Nacht erzählt hatte, steckte ihr Bruder offensichtlich in ernsthaften Schwierigkeiten. Jarret schien zu glauben, dass Gabe an einer Art Scheideweg stand und dass das mit Miss Waverly zu tun hatte. Er hatte sogar die Vermutung geäußert, dass Gabe Miss Waverly liebte, und seine Frau teilte seine Meinung offenbar.
Im Gegensatz zu dem, was der Rest der Familie von Celia dachte, glaubte sie tatsächlich an die Liebe. Das war der eigentliche Grund, warum sie sich weigerte, zu heiraten, nur weil ihre Großmutter es sich in den Kopf gesetzt hatte.
Wie aus dem Nichts kamen ihr plötzlich die Worte in den Sinn, die Mr Pinter ihr vor mehr als einer Woche gesagt hatte: Ich weise Sie bloß darauf hin, dass Ihre Großmutter nur das Beste für Sie will. Aber Sie sind anscheinend nicht fähig, das zu begreifen.
Was verstand Mr Pinter schon davon? Dieser verdammte Bow-Street-Ermittler hatte keinen Funken Leidenschaft in sich. Er war so verflucht vernünftig. Er konnte nicht verstehen, was es
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