Eine Lady zu gewinnen ...
hättest sie oder euch beide umbringen können.«
Zur Hölle damit! Es war eine Sache, wenn sie ihm deswegen Vorhaltungen machte, aber es war etwas anderes, wenn sein Bruder meinte, ihn deswegen tadeln zu müssen. »Ich bin ja nicht absichtlich den Hügel hinaufgefahren, um Gottes willen. Und ich war nicht derjenige, der ausgeschert ist.«
»Du kannst ihr nicht vorwerfen, dass sie ausgeschert ist. Sie hatte keine andere Wahl, sonst wäre sie in die Menge gerast. Sie hat eine schwierige Situation gut gemeistert, ohne dabei in Panik zu geraten. Ich frage mich, wie viele Männer das geschafft hätten.«
Das musste er Gabe nicht sagen. Von der ersten Sekunde des Rennens an hatte sie sich als exzellente Fahrerin erwiesen. Sie hatte ihre Pferde sicher im Griff gehabt, geschickt das Beste aus ihnen herausgeholt und einen Mut bewiesen, den er von einer jungen Frau, die aus behüteten Verhältnissen kam, niemals erwartet hätte. »Sie hat ihre Entscheidung getroffen, und ich habe getan, was nötig war, um zu gewinnen.« So wie er es immer tat.
»Du hättest die Pferde zügeln sollen«, sagte Oliver.
Gabe starrte seinen Bruder wütend an. »Warum? Ich hatte die ganze Zeit alles unter Kontrolle.«
»Wirklich? Es sah so aus, als hätte dein Phaeton beinahe das Gleichgewicht verloren und wäre auf ihren Zweispänner gestürzt.«
Er schwieg. Oliver hatte recht.
Als er bemerkt hatte, wie sein Gespann das Gleichgewicht verlor, hatte er einen Moment lang blankes Entsetzen empfunden. Allein der Gedanke, dass er einen Unfall verursachen könnte, bei dem sie verletzt würde …
Er schauderte, dann verfluchte er sich lautlos für seine Schwäche. Er hatte solche Situationen immer gemeistert, indem er dem Tod direkt ins Antlitz geschaut hatte. Er hatte sich von dem Gedanken an den Tod niemals Angst einjagen lassen. Dass es bei diesem Rennen anders gewesen war – und dass sie der Grund dafür war –, beunruhigte ihn.
Er wollte sein Leben nicht in Angst verbringen. Das war der Grund, weshalb er bisher zu niemand außerhalb der Familie eine engere Beziehung eingegangen war. Sobald ein Mann eine Mätresse oder eine Frau und Kinder hatte, wurde er ängstlich. Dann lebte er in ständiger Furcht davor, sie zu verlieren, in ständiger Furcht, dass sie ihm entrissen würden, in ständiger Furcht, dass er starb und sie schutzlos zurückließ. In dem Moment, wo ein Mann Schwäche zeigte, war der Tod zur Stelle, um ihm den Fuß in den Nacken zu setzen.
Man musste sich nur ansehen, wie der Tod seine Familie heimgesucht hatte. Mutter war bei dem Gedanken, dass die Mätresse ihres Vaters ihren Sohn korrumpierte, in Panik geraten, also hatte sie in blinder Furcht um sich geschlagen – und ihren Ehemann umgebracht. Und dann war sie bei dem Gedanken, ohne ihn leben zu müssen, ein zweites Mal in Panik geraten – und hatte sich selbst umgebracht.
Das hatte er zumindest immer gedacht. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Er war sich in den letzten paar Monaten bei nichts mehr sicher gewesen, und das jagte ihm eine höllische Angst ein.
Er blickte finster drein. Nein, verdammt! Er würde sich keine Angst einjagen lassen. Und er würde es ganz sicher nicht zulassen, dass Virginia mit ihrem Gezeter über seine Tollkühnheit den Keim der Angst in seine Seele pflanzte.
»Ohne Risiken ist das Leben nicht lebenswert«, sagte er, doch zum ersten Mal klangen die Worte hohl in seinen eigenen Ohren. »Selbst Miss Waverly sieht das so, sonst hätte sie mich wohl kaum herausgefordert.«
»Möglich. Aber wenn du nicht aufpasst, dann verspielst du jede Chance auf ihre Hand«, sagte Oliver. »Sie hat ihren Bruder bei einem Kutschenrennen verloren. Sie wird es kaum riskieren, einen Mann zu heiraten, den sie ebenfalls bei einem solchen Rennen verlieren könnte, Wette hin oder her.«
Gabe verschränkte die Arme vor der Brust. »Und jetzt hältst du mir wahrscheinlich eine Predigt über die skandalöse Wette, die ich mit ihr abgeschlossen habe. Und Großmutter ist als Nächste dran, weil sie es vor der Familie geheim gehalten hat.«
Oliver ließ ein trauriges kleines Lachen hören. »Großmutter eine Predigt zu halten ist sinnlos. Sie hat mir noch nie zugehört, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das je ändern wird.«
»Ich höre dir zu, wenn du etwas Vernünftiges zu sagen hast«, warf seine Großmutter ein und rümpfte die Nase.
»Du hörst mir zu, wenn ich dir nach dem Mund rede«, gab Oliver nachsichtig zurück. »Gabe tut nicht einmal
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