Eine lange dunkle Nacht
Schulter nach hinten. Ihr bot sich ein seltener Anblick: Poppy ohne Zigarette im Mund. Die junge Frau lag auf dem Rücksitz und hatte den Kopf auf Frees Stofftasche gelegt.
»Also, was ist passiert?« fragte Teresa.
»Ich werd's, dir erzählen«, sagte Poppy. »Nachdem du uns mehr über Bill erzählt hast.«
»Okay, das ist fair«, sagte Teresa. »Bill und ich waren knapp einen Monat zusammen, als er beschloß, mich zu einem Popstar zu machen. Das war der Anfang vom Ende.«
4. Kapitel
Tatsächlich waren Bill und Teresa sechs Wochen zusammen, als Bill für sie im Summit Club in Newport ein Vorsingen arrangierte. In den sechs Wochen waren sie einander sehr nahegekommen. Es passierte selten, daß sie nicht mindestens einmal am Tag miteinander telefonierten. Am liebsten unternahmen sie lange Spaziergänge, während derer sie über Gott und die Welt quatschten. Seitdem sie Bill kannte, kam es Teresa so vor, als ob sie mehr zu erzählen hätte, als in all den vorherigen Jahren zusammen. In Bills Gegenwart fühlte sie sich unbefangen und empfand auch nie den Zwang, das Richtige tun zu müssen. Bill nörgelte nie an ihr herum. Doch offengestanden kostete es Teresa einige Überwindung, in seiner Gegenwart locker zu sein. Zu Hause bei ihren Eltern – insbesondere in Gegenwart ihrer Mutter – konnte sie sich nie richtig entspannen.
Bill überraschte sie mit dem Vorschlag, in einem Club vorzusingen, nachdem sie eines Abends spät aus dem Kino kamen. Er parkte vor ihrer Haustür und begann sie zu küssen. Teresa wollte aussteigen, bevor ihr Vater nach unten kam, aber gleichzeitig hoffte sie, Bill würde sich nicht nur mit Küssen begnügen. Bill war alles andere als aufdringlich, was sie natürlich gut fand. Aber jetzt war ihr eher nach wilder Leidenschaft denn nach zärtlicher Zweisamkeit zumute. Sie wollte ihm näherkommen, ihn noch tiefer lieben, und sie wußte nicht, wie sie dies anstellen sollte, ohne Sex mit ihm zu haben. Doch das konnte sie Bill nicht sagen, dazu war sie zu schüchtern; vielleicht dachte er ja, sie wäre nicht gut genug für ihn. Dies war ihre einzige Sorge, wenn sie mit Bill zusammen war: wie attraktiv er sie fand. Seine wiederholten Komplimente, wie schön sie sei, konnten ihr diese Unsicherheit nicht nehmen. Im Gegenteil, sie steigerten sie noch.
»Wie fändest du es, ein größeres Publikum, zu haben als bloß mich?« fragte Bill.
»Warum?«
»Wieso warum? Weil du klasse bist.«
»Muß ich denn für jedermann klasse sein? Es reicht doch, wenn ich es für dich bin. Wovon sprichst du überhaupt?«
»Von einem Vorsingen.«
»Vorsingen? Wo?«
»In einem Club in der Nähe vom Strand. Er heißt The Summit. Ist ein cooler Laden. Es gibt dort jeden Abend Live-Musik. Na ja, und kommenden Dienstag nachmittag kann man dort vorspielen. Ich finde, du solltest hingehen. Ich komme natürlich mit. Du wirst sie umhauen, Teresa, ich garantier's dir. Und außerdem machst du dabei auch noch richtig Geld. Im Summit verdienst du an einem Abend mehr als mit fünfzig Gitarrenstunden.«
Teresa machte sich von ihm los. Die Scheiben von Bills Wagen waren beschlagen. Sie kurbelte das Fenster runter und sog die klirrend kalte Winterluft tief in ihre Lungen. »Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe«, stammelte sie.
»Wieso?«
»Ich kann nicht in einem Club auftreten. Ich bin keine heiße Braut. Ich bin nicht aufregend. Ich tanze nicht, und mit Sicherheit kann ich auch keine Leute zum Tanzen bringen. Ich spiele Gitarre und Klavier und singe Balladen. Wenn ich abends in einem Club aufträte, würden die Leute vor Langeweile einschlafen.«
Bill sah sie eindringlich an. Das Licht einer entfernten Straßenlampe teilte sein Gesicht in Hell und Dunkel. Er sah aus wie zwei völlig verschiedene Menschen, von denen Teresa allerdings keinen so gut kannte wie den jungen, den sie gerade geküßt hatte.
»Das Summit engagiert alle möglichen talentierten Leute«, sagte er. »Dort treten Rockbands auf, Rapbands, alles Mögliche – auch Leute, die Balladen singen. Dem Club kommt es einzig darauf an, daß die Künstler gut sind. Und du bist sehr gut.«
»Ich gehe noch zur Schule«, sagte Teresa.
»Ist doch egal. Was zählt, ist nicht dein Alter, sondern dein Talent. Und das wird man dort garantiert erkennen.«
Sie mußte lachen. »Du kannst nichts garantieren, Bill. Du gehst doch auch noch zur Schule.«
Bill schwieg. »Ich habe ihnen eine Kassette von dir vorgespielt«, sagte er nach einer
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