Eine lange dunkle Nacht
Weile.
»Was?«
»Du hast richtig gehört«, sagte Bill.
»Es gibt keine Kassette mit meiner Musik. Ich habe nie etwas aufgenommen.«
»Aber ich.«
»Wie bitte? Du hast mich aufgenommen, ohne daß ich davon wußte? Wie konntest du das tun?« Ihre Stimme geriet ins Stocken. »Wie konntest du mir das bloß antun?«
»Ich habe dir nichts angetan. Ich habe etwas für dich getan. Teresa, du bist ein wundervolles Mädchen, aber dir fehlt es an Selbstbewußtsein. Die einzige Möglichkeit, das zu ändern, ist, in die große böse Welt hinauszugehen und sie zu erobern. Und diesen Club kannst du locker erobern. Ich habe dem Besitzer drei Lieder vorgespielt, und er sagte bloß ›Ich will dieses Mädchen‹.«
»Hast du ihm erzählt, wie alt ich bin?«
»Ich sagte, du seist dreiundzwanzig.«
»Bill!«
»Ist doch egal! Er will dich.«
Sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen, und das wollte sie auf keinen Fall. Nicht vor Bill. Heulende Mädchen waren abstoßend. Ihr war klar, daß Bill dies nur getan hatte, weil er ihre Musik mochte. Und doch fühlte sie sich verletzt. Ihre Musik war ihr Geheimnis. Sie hatte es mit Bill geteilt, ihm vertraut, und er war losgezogen und hatte es in die ganze Welt hinausposaunt.
»Das interessiert mich nicht. Ich habe dir schon am ersten Abend gesagt, daß ich nicht auftrete. Leute zu unterhalten bedeutet weit mehr, als bloß Lieder schreiben zu können. Man muß Ausstrahlung haben. Ich bin nicht dreiundzwanzig. Ich bin gerade mal achtzehn und habe soviel Ausstrahlung wie eine Türklinke.«
»Nicht, wenn du deine Augen zumachst und singst«, sagte Bill.
»Ich mache meine Augen beim Singen nicht zu.«
Bill lachte. »Du machst beim Singen immer deine Augen zu. Wie hätte ich dich sonst unbemerkt aufnehmen können?«
»Das hättest du nicht tun sollen, echt. Ich könnte dich verklagen.« Wütend stieß sie ihn gegen die Schulter. »Hör auf zu grinsen.«
»Du bist so schön, wenn du sauer bist.«
Sie mußte lächeln. »Du hast mich noch nie erlebt, wenn ich sauer bin, Kumpel.«
Plötzlich gab er ihr einen Kuß, ganz schnell. »Wirst du hingehen?«
»Nein.«
»Du mußt.«
»Warum?« fragte sie.
»Weil ich es will! Es würde mir eine Menge bedeuten. Und dir würde es noch viel mehr bedeuten.«
»Wenn ich hingehe, werden sie sehen, daß ich noch ein halbes Kind bin.«
»Wir werden dich herausputzen«, sagte Bill. »Du wirst wie eine Frau von Welt aussehen. Du wirst wie Madonna aussehen.«
»Ich will nicht wie Madonna aussehen. Die kann nicht singen.«
»Eben, und was ist aus ihr geworden? Also. Wirst du es tun?«
»Nein.«
»Klingt schon weniger hart als das erste Nein. Wirst du es tun?«
»Nein.«
»Dein Widerstand wird schwächer.«
»Meine Eltern werden mich nicht lassen.«
»Wir erzählen's ihnen nicht.«
»Und was werden wir ihnen erzählen?« fragte sie.
»Daß wir uns irgendwo ein romantisches Wochenende machen – jedes Wochenende.«
Sie starrte ihn fasziniert an. Er war so süß und sah so gut aus. Sie streckte die Hand aus und fuhr ihm durch die Haare. Sie konnte unmöglich lange sauer auf ihn sein.
»Können wir?«
»Was?«
»Uns für ein romantisches Wochenende davonstehlen?« Er war überrascht, erholte sich aber schnell davon.
»Wenn du dies für mich tust, tue ich alles für dich.«
Sie überlegte – aber nicht lange. »Abgemacht, Mr. Bill.«
Das Summit war größer, als Bill hatte Teresa glauben lassen. An einem guten Abend drängelten sich dort an die zweihundert Leute. Als sie mit Bill aus dem Wagen stieg, wäre Teresa am liebsten im Erdboden versunken.
»Ich kann hier nicht auftreten«, sagte sie.
»Welche Rolle spielt es schon, wie groß der Schuppen ist?« sagte er. »Du machst doch sowieso die Augen zu.«
Sie betraten den Club. Es waren keine anderen Musiker zum Vorspielen da, nur ein rundlicher Mann mittleren Alters, der die Tische abwischte. In seinem Mundwinkel steckte eine Zigarre, und von seinen aufgedunsenen Wangen tropfte Schweiß.
»Wir sind da, Mr. Gracione«, rief Bill.
»Das ist doch nicht etwa der Besitzer, oder?« fragte Teresa Bill im Flüsterton.
»Doch«, gab Bill zurück.
»Mist.«
»Was?«
»Alles. Ich will gehen.«
»Dafür ist es jetzt zu spät«, sagte Bill fröhlich.
»Bist du das Mädchen mit der Stimme?« fragte Mr. Gracione im Näherkommen. Er trug eine weinfarbene Sportjacke und hatte ein halbes Dutzend Goldkettchen auf seiner haarigen Brust hängen. Er wirkte wie eine Figur aus Der Pate . Er
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