Eine lange dunkle Nacht
Du kannst gehen.‹
John schob den Finger zur Seite. ›Sie sind doch bloß sauer, weil ich Ihnen vorschlug, mit Candys Mutter auszugehen‹, brüllte er. ›Dabei wollte ich Ihnen nur. etwas Gutes tun. Glauben Sie etwa, Sie werden je eine neue Frau finden, so, wie Sie aussehen?‹
Jetzt platzte Mr. Sims endgültig der Kragen. Er stieß John erneut vor die Brust, heftiger diesmal, so daß John einen Schritt zurückweichen mußte, um das Gleichgewicht zu halten. ›Du bist nicht nur durch diese Prüfung gefallen‹, wetterte Sims, ›du hast den ganzen Kurs nicht bestanden! Und dieses tolle College wird dich nicht mehr nehmen wollen, nachdem ich mit denen geredet habe, das verspreche ich dir!‹
John gefiel dieser Gedanke ganz und gar nicht. Sims wollte mit Johns Zukunft herumpfuschen, wo doch John so große Pläne hatte. Er würde es weit bringen. Er hatte Großes vor, und Leute wie Mr. Sims würden ihn nicht daran hindern. Doch John hatte folgendes noch nicht gelernt: je kleiner die Person, desto größer die Gefahr, über sie zu stolpern. Sims hatte sein Bein ausgestreckt, und John war ihm zum falschen Zeitpunkt über den Weg gelaufen. John explodierte. Er ballte die Fäuste, holte aus und landete einen rechten Haken an Sims Unterkiefer. Der Lehrer schlug für ein Nachmittags-Schläfchen auf dem Boden auf – und hatte einige Zähne weniger als vorher.«
»Wow«, sagte Teresa, ihr erstes Wort seit langem. Sie war gar nicht erst auf den Gedanken gekommen, Free zu unterbrechen. Er war der geborene Geschichtenerzähler, und während er jetzt tief Luft holte, fühlte sich Teresa, als säße sie im Klassenzimmer bei John und Candy.
»Am nächsten Tag flog John von der Schule«, fuhr Free fort. »Genau gesagt, er wurde wegen Körperverletzung festgenommen. Sein Fall kam vor Gericht, und er hatte einen strengen Richter. John konnte sich keinen Anwalt leisten, und sein staatlicher Pflichtverteidiger war Alkoholiker. Jedesmal, wenn John mit ihm sprach, zitterte der Kerl wie Espenlaub – er war weniger als nutzlos. Mr. Sims und diese Sally sagten gegen John aus. Sims kam mit bandagiertem Kopf in den Gerichtssaal – alles nur Show. John war schon verurteilt, noch bevor er vereidigt wurde. Es lief darauf hinaus, daß er den Sommer im Jugendknast verbrachte – wahrlich kein angenehmer Ort. Bevor er die Sonne als freier Mann wiedersah, hatte er mehr Zähne verloren als damals Mr. Sims. Aber John war ein zäher Bursche, er hielt durch. Er schaffte es, indem er härter wurde als je zuvor. Ihm war nichts geblieben, was ihn hätte aufheitern können. Candy kam ihn nicht ein einziges Mal besuchen. Ihre Eltern waren strikt dagegen. Schließlich sollte ihre Tochter Ärztin werden. John Gerhart war bereits unaufhaltsam auf dem Weg nach unten. Jedenfalls sahen sie das so. Mit Johns Eltern verhielt es sich ähnlich. Seine Mutter besuchte ihn nur zweimal, und auch nur, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte.
. Während John seine Zeit absaß, schickten Mr. Sims und der Schuldirektor einen Brief an die Berkeley-Universität. Natürlich unterschlugen sie in ihrer Schilderung der Ereignisse, daß Mr. Sims John erst zweimal vor die Brust gestoßen hatte, bevor John ausflippte. Sie bezeichneten ihn als gewalttätigen jungen Mann, der nur aufgrund jahrelanger Betrügereien zu seinen guten Noten gekommen sei. Berkely im Gegenzug unterrichtete John mit einem lapidaren Schreiben von der nachträglichen Ablehnung. Als John schließlich aus der Jugendhaft kam, hatte er das bestürzende Gefühl, daß ihn jedes ordentliche College im Land ablehnen würde.
»Was passierte mit Candy?« wollte Teresa wissen.
»Nichts«, sagte Free lächelnd. Er mußte John gut gekannt haben, um so detailliert über dessen Highschoolzeit Bescheid zu wissen, doch Teresa bezweifelte, daß er John gemocht hatte. Free hatte Johns Geschichte zwar mit Enthusiasmus, aber – merkwürdigerweise – ohne jegliche Anteilnahme erzählt.
»Durfte Candy nach Berkeley?« fragte Teresa.
»Logisch«, sagte Free. »In den Augen der Allmächtigen hatte sie nichts Falsches getan. Als John rauskam, war sie längst in Berkeley und lebte das süße Leben der College-Prinzessin.«
»Hat John nicht versucht, sie zu finden?« fragte Teresa. Free starrte aus dem Fenster. »Klar hat er's versucht. Aber er fand sie im falschen Moment.«
»Wie meinst du das?«
»Diesen Teil sollte besser ich erzählen«, sagte Poppy. »Ich hab' Candy besser gekannt als Free.«
Teresa blickte über die
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