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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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weitererzählte, doch die seltsame junge Frau blieb stumm.
    »Und?« fragte Teresa nach einer Weile.
    »Ich habe keine Lust, weiterzuerzählen«, sagte Poppy.
    »Prima«, sagte Free. »Ich hab nämlich keine Lust, deinem Gefasel weiter zuzuhören.«
    »Du warst doch derjenige, der die Geschichte hören wollte«, rechtfertigte sich Poppy.
    Free fuhr herum. Er würde einen steifen Hals haben, wenn sie am Ziel angelangt waren – wo immer das auch sein mochte. »Klar, aber ohne den ganzen Schwachsinn, den du hinzugefügt hast«, sagte er.
    Poppy schüttelte den Kopf und schnippte die Asche auf ihre Handfläche. Teresa betrachtete die Frau im Rückspiegel. »Das war kein Schwachsinn. Ich kannte Candy eben besser als du.«
    »Du hast aus ihr eine Heilige gemacht«, sagte Free.
    Poppy kicherte leise. »Wohl kaum.«
    »Ist Candy nun jemals wieder mit John zusammengekommen oder nicht?« fragte Teresa, über ihre brennende Neugier erstaunt.
    »Nein«, sagte Poppy.
    »Was?« Teresa verzog das Gesicht. »Du meinst, sie haben sich nie wiedergesehen?«
    »Doch, haben sie«, sagte Poppy und zog abermals an ihrer Zigarette. »Ein paar Jahre später – ein einziges Mal – in einer finsteren, stürmischen Nacht. Warum erzählst du ihr nicht von dieser Nacht, Jack?«
    »Keinen Bock«, raunzte Free.
    »Los, komm schon«, beharrte Poppy.
    Plötzlich lächelte Free. Teresa betrachtete ihn aus dem Augenwinkel. Sein Lächeln war seltsam: schelmisch, grimmig, erregend – alles auf einmal. Er sah zu Teresa hinüber.
    Er zog kurz die Stirn in Falten. »Wo waren wir stehengeblieben mit John?« fragte er.
    »Er kam gerade aus dem Jugendknast und suchte Candy«, sagte Teresa.
    »Ich habe nie gesagt, er hätte Candy gesucht«, widersprach Free entschieden.
    »Dann, äh, habe ich dich wohl falsch verstanden«, stammelte Teresa.
    Free starrte sie einen Moment an, bevor er seinen Blick. wieder auf die Straße vor ihnen richtete. Die Scheinwerfer tauchten das Asphaltband in nächtliches Helldunkel. Die Teilstücke des unterbrochenen Mittelstreifens flackerten rhythmisch. Teresa fragte sich, ob sie diese seltsame Geschichte und diese seltsame Fahrt bei Nacht irgendwie hypnotisierte. Nein, das war es nicht. Es waren Frees und Poppys Stimmen. Die beiden hatten denselben einschläfernden Tonfall – als wären sie miteinander verwandt, vielleicht Bruder und Schwester.
    »Ich werde dir erzählen, wie es mit John weiterging, nachdem er rauskam«, sagte Free schließlich. »Ich werde dir die Wahrheit erzählen. Das ist alles, was ich tun kann.«

6. Kapitel
     
     
    »Was Poppy sagte, stimmt«, begann Free. »John kam aus dem Jugendknast raus, als Candy bereits drei Wochen an der Uni war. Er fragte ihre Eltern gar nicht erst nach Candys Nummer in Berkeley. Die würden sie ihm nicht geben. Außerdem war er nicht sicher, ob er Candy sofort wiedersehen wollte, und je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm: dafür war es noch zu früh. Er war stinksauer auf sie. Im Knast hatte er sich ständig vor Augen geführt, wie selbstverständlich Candy davon ausgegangen war, daß er ihr bei der Abschlußarbeit helfen würde. Sie war einfach zu faul zum Lernen gewesen. Welches Risiko er einging, daran hatte sie nie einen Gedanken verschwendet. Na klar, bis er erwischt worden war, hatte es ihm nichts ausgemacht, ihr zu helfen. Aber das war ja gerade der springende Punkt – er hätte nicht erwischt werden müssen. Sie hätte den Spickzettel runterschlucken sollen, als diese Annie – oder Sally oder wie auch immer die Zicke hieß – nach Mr. Sims rief. John mußte immer wieder daran denken, wie Candy im entscheidenden Moment vor Angst erstarrt war. Es machte ihn fuchsteufelswild. Nur ein einziges Mal hatte er ihre Hilfe gebraucht, und sie hatte ihn gnadenlos hängen lassen.
    Außerdem schämte er sich, sie wiederzusehen. Sie war auf der Universität, er kam gerade aus dem Knast. Er wollte erst Ordnung in sein Leben bringen, bevor er ihr wieder unter die Augen trat. Wie gesagt, obwohl er stinksauer war, stand für ihn außer Frage, daß er sie früher oder später wiedersehen würde. Ohne sie zu leben brachte ihn fast um. In all den Nächten im Knast hatte er ständig an ihre gemeinsamen Nachmittage am Strand gedacht. Jene Tage waren die glücklichsten seines Lebens gewesen.
    Johns Stiefvater hatte Candy angelogen, als er ihr sagte, John sei nie nach Hause gekommen, nachdem er wieder draußen war. John kam nach Hause – für einen halben Tag. Das

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