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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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Colleges.
    Seine Pläne waren Schall und Rauch. Ich sagte, daß er auf der Arbeit viel herumgammelte, aber ebenso widmete er sich den Fächern, die er brauchte, um Ingenieur zu werden – Mathe, Physik, Chemie. Wenn ihn die Universitäten nicht nahmen, mußte er sich fürs erste allein weiterbilden. Sicher, er hätte auf ein Junior-College gehen können, nur, weshalb sollte ein heller Kopf wie er seine Zeit auf einem Junior-College verplempern? Außerdem hatte er keine Lust, Candy im ach so tollen Berkeley anzurufen und ihr zu erzählen, daß er sich auf dem Cerritos Junior College eingeschrieben hatte. Das war unter seiner Würde. Er hatte seinen Stolz, und es ist nichts Falsches, wenn ein Mann seinen Stolz hat.
    In der Fabrik wurden Überstunden angeboten, und da John nichts Besseres zu tun hatte, nahm er sie an. Statt elf Uhr abends, begann er nun um sechs Uhr nachmittags. Er wußte nicht, daß Tyler, Fabrikleiter und treuer Diener der Firma, für gewöhnlich bis sieben oder acht Uhr arbeitete. So begannen die beiden sich regelmäßig zu sehen. Tyler mochte John auf Anhieb. Dennoch gab er ihm für die Überstunden einen der stressigeren Jobs. John bekam eine Lieferliste für Supermärkte und mußte in der Halle rumrennen und das Zeug zusammenstellen – vierzig Kästen Pfannkuchen, fünfzig Kästen Vollkornbrötchen, siebzig Kästen Baguette und so weiter. Ab elf, Tyler war längst zu Hause, machte sich John an seine Maschinen und hatte den Rest der Nacht frei. Die Überstunden wurden doppelt bezahlt – er konnte sich nicht beklagen.
    Meistens machte John seine erste Pause kurz bevor Tyler verschwand. Tyler war bei den Marines gewesen, was John sofort eine Warnung hätte sein müssen. Er hatte sich nie mit Leuten anfreunden können, die auf Autorität und Disziplin Wert legten. Aber wenn es ihm in den Kram paßte, konnte John Respekt zeigen, und für Tyler war John ein junger Mann, der dabei war, sich nach einigen Mißgeschicken wieder hochzukämpfen. Die beiden redeten viel über Sport – insbesondere über Boxen. John sah sich gerne einen guten Kampf an, und für Tyler, der bei den Marines geboxt hatte und gebaut war wie ein Schrank, war Boxen eine Art Ersatzreligion. Halb im Spaß dachte John, daß er sich nie im Leben mit einem Kerl wie Tyler anlegen würde.
    In den Überstunden war John nicht nur für die Bestellungen der Supermärkte zuständig. Ab und zu fielen die Fließbänder aus, die die Brote vom Ofen zu den Verpackungsmaschinen transportierten. Wenn dies geschah, griff Tyler sich den nächstbesten Arbeiter und ließ ihn die Backbleche per Hand wegschaffen, damit sich die Brote nicht vor dem Ofen stapelten. Direkt neben dem Ofen zu arbeiten war die Hölle – dort herrschten mindestens fünfzig Grad, vielleicht sogar sechzig. Auch die Bleche waren kochendheiß. Wenn man das 'Höllenkommando' bekam – so wurde der Job von allen genannt –, mußte man Schutzhandschuhe mit schulterhohen Ärmeln tragen, denn eine einzige Berührung mit dem Backblech brannte einem ein nettes schwarzes Loch in die Haut. Aber die armlangen Handschuhe waren beschissen. Sie saßen total locker und rutschten ständig herunter, so daß die Arme immer wieder ungeschützt freilagen. Man mußte das Blech nicht einmal berühren, um sich eine Verbrennung dritten Grades zu holen – es strahlte auch so genügend Hitze ab.
    John haßte das Höllenkommando aus ganzem Herzen. Tyler trug ihm diesen Job immer öfter auf, weil das Fließband immer öfter ausfiel und weil John flink war. Er konnte den Ofen schneller als jeder andere entladen. In den Pausen mußte er jedoch drei Liter Wasser in sich hineinschütten, um nicht zu dehydrieren. Allmählich begann er sich zu fragen, ob dies das Extrageld wert war.
    John war nicht nur schnell, sondern auch schlau. Nach einigen Malen am Ofen erkannte er, wie ineffizient die Prozedur war. Menschen sollten nichts tun, was Maschinen besser konnten, sagte er sich. Er sah sich das Fließband an und entdeckte, daß der Grund, warum es ständig ausfiel, ganz simpel war: Der Rollmechanismus wurde vom Brotteig verklebt, der über den Rand der Backbleche quoll. Er glaubte, daß einige Metalleisten, seitlich am Ofeneingang fixiert, den überschüssigen Teig wegschneiden würden, und daß das Problem somit gelöst wäre. Die Leisten feilte er nachts aus herumliegenden Eisenstangen zurecht. Er erprobte seine Erfindung, als niemand in der Nähe war. Nun, Erfindung ist vielleicht das falsche Wort; schließlich

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