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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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begraben werden. Wenn ihre Eltern herausfanden, daß sie ihr Medizin-Studium abgebrochen hatte, wollte sie zumindest die allgemeinen Kurse einigermaßen erfolgreich absolviert haben. Deswegen hatte sie Angst, Kunst zu belegen. Es war absurd. Hin und wieder setzte sie sich in einen Kunstkurs und begutachtete die Qualität der Bilder. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, daß Candy hundertmal besser war als die Dozenten. Candy hatte Talent – und nutzte es nicht.
    Gegen Ende des zweiten Semesters lernte sie einen Mann kennen. Sie wollte keine Beziehung, obwohl sie völlig vereinsamt war. Aber dies war eben eines jener Dinge, die einfach passieren. Die Beziehung stand von vornherein unter einem schlechten Stern. Der Mann war Dozent und zwar ein verheirateter Dozent Mitte Dreißig. Er hieß Henry und unterrichtete Kunst. In einem ihrer mutigeren Augenblicke zeigte sie ihm einige ihrer Bilder. Er verliebte sich in sie, weil sie ein geborenes Genie war und er nur ein untalentierter Durchschnittsakademiker. Das jedenfalls sagte er ihr. Aber vielleicht hatte er sich auch in sie verliebt, weil er genauso einsam war wie sie.
    Dieser Henry war kein schlechter Mensch. Er war ein geduldiger Lehrer. Seine Studenten mochten ihn. Ihm fehlte einfach jegliches Talent, und seine Frau drängte ihn ständig, seinen Job an der Uni aufzugeben und in die freie Wirtschaft zu gehen, wo er mehr verdienen würde – wo er jedoch elendiglich versagen würde, wie er wußte. Anders als John sah er nicht gerade gut aus. Tatsächlich war er in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von John. Er war so sanftmütig, daß es ihn Mühe kostete, vor dem Kino nicht aus der Warteschlange gedrängt zu werden. Er trug dicke Brillengläser und war ohne sie völlig hilflos. Und wegen seines Magengeschwürs mußte er ständig Maalox-Tabletten schlucken.
    Doch Candy fand ihn sehr angenehm. Er führte sie zum Essen aus und half ihr beim Lernen. Aber ihrer Beziehung waren enge Grenzen gesetzt. Von Anfang hatte er ihr klargemacht, daß er seine Frau nicht verlassen würde. Und die Universität durfte nichts von ihrer Affäre mitbekommen, da man ihn sonst gefeuert hätte. Also gingen sie immer erst spätabends ins Restaurant, ins Kino immer in die Spätvorstellung, und stets trug er einen Hut. Henrys Frau schien das alles nicht zu kümmern. Sie hatte ihre eigene Affäre mit einem Architekten von Brücken.
    Wahrscheinlich glaubst du, es war dumm von Candy, sich mit diesem Mann einzulassen, und ich schätze, Candy würde dir zustimmen. Doch sie machte sich keine Illusionen. Sie wußte, wo diese Affäre enden würde, nämlich im Nichts. Aber sie mochte Henry, sie mochte ihn wirklich. Möglicherweise hat sie ihn sogar geliebt, wenngleich nicht so, wie sie John geliebt hatte. Tief in ihrem Herzen hatte sie beschlossen, niemals wieder jemanden so zu lieben, wie sie John geliebt hatte.
    Während sie mit Henry zusammen war, malte Candy seltsamerweise so gut wie nichts. Wahrscheinlich lag es daran, daß sie um so vieles begabter war als er. Er hatte sich zwar wegen ihres Talents in sie verliebt, doch sobald er aus dem Vorlesungssaal kam, erklärte er später, wollte er mit Kunstmalerei nichts zu tun haben. Sicher, wenn sie ihm ein Bild oder eine Zeitung zeigte, gab er seinen Kommentar ab. Er versuchte, konstruktive Kritik zu üben, machte Verbesserungsvorschläge, aber er machte ihr nie Mut, spornte sie nie an. Vielleicht war er eifersüchtig. Vielleicht versuchte er auch, ihr eine aussichtslose Karriere zu ersparen. Schließlich gibt's in Berkeley mehr hungernde Künstler als in jeder anderen Stadt der Welt.
    Die Sommerferien kamen. Candy blieb in Berkeley. Sie hatte von der Freiheit gekostet und wollte um nichts in der Welt zu ihren Eltern zurück. Da diese ihr in den Ferien kein Geld schickten, nahm sie einen Job als Kassiererin und einen zweiten als Kellnerin an – sie mußte ja irgendwie über die Runden kommen. Sie überlegte, ihr Studium eine Weile zu unterbrechen. Ihr zweites Semester hatte sie im Schnitt mit einer Drei beendet; außerdem hatte sie keine weiteren Kurse gestrichen. Noch immer traf sie sich mit Henry. Seine Frau flog den Sommer über nach Europa, und Candy sah ihn öfter denn je. Einige Male übernachtete sie sogar bei ihm. Henry hatte keine Kinder, hatte nie welche haben wollen. Sie waren vorsichtig – dachten sie jedenfalls – und schliefen nie ohne Kondom miteinander. Aber ein Kondom bietet eben keinen hundertprozentigen Schutz.
    Candy wurde

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