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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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Und gib mir bitte eine ehrliche Antwort. Hat es John und Candy wirklich gegeben?«
    »Ja.«
    »Wieso habt ihr die beiden so gut gekannt?«
    »Wir standen einander sehr nahe«, sagte Poppy.
    »Du hast ziemlich sarkastisch geklungen, als Free dich fragte, ob er das Ende der Geschichte korrekt erzählt habe. Hat er es korrekt erzählt?«
    »Nein, aber er hat auch nicht gelogen. Das ganze ist sehr kompliziert.«
    »Erzählst du mir, was wirklich passiert ist, ich meine, aus deiner Sicht?«
    »Vielleicht später.«
    Poppy brachte sie nicht zu dem massiven Eingangsportal der Kirche, sondern zu einem Seiteneingang, der in eine kleine Halle und danach in den Innenhof führte, den Teresa sich vorgestellt hatte. Sie gingen an zwei alten Nonnen vorbei, die zusammen mit einem Kind Münzen in einen Springbrunnen warfen. Die anderen Leute im Hof waren so unscheinbar und abwesend, daß Teresa sich fragte, was mit ihnen nicht stimmte. Niemand beachtete Poppy und Teresa. Es war fast so, als hätten sie die Kirche zufällig entdeckt und wären nun völlig zufrieden, im Mondschein zu wandeln und die Zeit verstreichen zu lassen. Erneut fragte sich Teresa, wie spät es war. Sie ärgerte sich abermals, daß sie ihre Uhr verloren hatte. Eigentlich müßte jeden Augenblick die Sonne aufgehen, dachte sie.
    Hinter dem Hof lag ein Saal, der wiederum zu einem zweiten Hof führte. Dort entdeckte Teresa die Blumen, die sie gerochen hatte. Sie waren wunderschön, waren allerdings nicht in sauberen Reihen angepflanzt, sondern wucherten wild um Büsche und Bäume herum. Außer denen, die sie gerochen hatte, gab es noch Flammenblumen und Lilien sowie Paradiesvögel, die mit ihren spitzen Schnäbeln an den noch regennassen Ästen knabberten. Teresa hätte ihnen gerne noch eine Weile zugesehen, doch Poppy zog sie weiter. Durch einen Seitenflügel betraten sie die Kathedrale.
    Eine katholische Messe war im Gange. Die Leute in dieser Gegend stehen wirklich früh auf, dachte sie. Es gab unzählige Bankreihen, und sie waren mindestens zur Hälfte besetzt. Bis auf den Chor oben im Kirchenschiff waren die meisten Anwesenden ältere Leute. Teresa konnte die Sänger nicht genau erkennen, aber dem Klang nach mußten es Kinder sein. Ihre Stimmen hallten durch den riesigen Innenraum, während der Priester in donnerndem Latein sprach.
    Latein?
    Latein war doch angeblich eine tote Sprache, oder?
    Poppy griff in eine der mit Weihwasser gefüllten Holzschalen in der Nähe des Eingangs und bekreuzigte sich. Teresa folgte ihrem Beispiel.
    »Ist das dein Vater, der die Messe leitet?« fragte Teresa leise; sofort kam sie sich wie eine Gotteslästerin vor, weil sie es gewagt hatte, an diesem heiligen Ort zu sprechen. Sie deutete auf den Altar, der im warmen Schein der unzähligen weißen Kerzen gold- und silberfarben schimmerte. Schwerer Weihrauchduft schwängerte die Luft und stieg Teresa zu Kopf.
    »Nein«, flüsterte Poppy. »Um diese Zeit nimmt mein Vater für gewöhnlich die Beichte ab.« Sie wies auf einen Seitengang, der sich an verschiedenen Punkten verzweigte und zu kleineren Kapellen mit Altären führte, wo man Kerzen anzünden und von einem bestimmten Heiligen Segen erbitten konnte. Teresa nahm Poppys Hand und drückte sie, obwohl sie nicht genau wußte, warum. Es war nicht so dunkel, daß Teresa nichts hätte sehen können. Poppy erwiderte ihren Händedruck und lächelte sie freundschaftlich an. Zum ersten Mal zeigte Poppy mehr als nur Melancholie oder Langeweile. Teresa bereute den Spruch von vorhin, daß sie ihr nicht vertraue. Offensichtlich hatte Poppy nicht um ihrer selbst willen, sondern um Teresas willen zu der Kirche fahren wollen.
    Aber beichten? Was habe ich denn zu beichten? Selbst wenn es etwas gäbe, wieso sollte ich es gerade jetzt tun? Wieso. hier?
    Sie gelangten zu einer Holztür, die, verglichen mit der prunkvollen Ausstattung der Kirche, ziemlich unscheinbar aussah. Poppy nickte. »Er ist dort drin.«
    »Kommst du nicht mit rein?« fragte Teresa.
    »Ich kann nicht.«
    »Warum?«
    »Du mußt es ganz allein tun«, sagte Poppy. »Ich konnte dich nur herbringen.«
    »Wer sagt das?«
    »So ist es nun mal.« Dann tat Poppy etwas völlig Unerwartetes. Sie umarmte Teresa und küßte sie auf die Wange.
    »Erzähl ihm alles«, flüsterte sie ihr ins Ohr. »Sei wie ein offenes Buch und hör dir genau an, was er dir zu sagen hat. Und vor allem, hab keine Angst. Er will dir nur helfen.«
    »Aber wieso brauche ich Hilfe?« fragte Teresa, als Poppy sie

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