Eine lange dunkle Nacht
mußt nicht zu dem Priester, Teresa«, sagte Free. »Niemand zwingt dich dazu. Ich habe ihn auch noch nie gesehen.«
Teresa lächelte. »Ich wette, du warst noch nie im Leben in einer Kirche. «
»Gut erkannt«, gab Free ihr recht.
»Poppy meint, weiter nördlich könnte die Straße gesperrt sein«, sagte Teresa. »Denkst du das auch?«
»Ich denke, wenn wir schnell genug sind, schaffen wir es auf die andere Seite«, sagte Free.
»Wenn sie tatsächlich gesperrt ist, kommst du zu spät zu deinem Auftritt«, sagte Teresa. »Wir müßten nach Süden zurück und einen großen Bogen fahren. Würde ziemlich lange dauern.«
Free gähnte wieder. »Darüber mach' ich mir keine Gedanken.«
»Wie heißt der Club noch mal, in dem du auftrittst?« fragte Teresa.
Free sah zu ihr herüber. Seine Augen wirkten verschlafen, sein Atem roch aber frisch. Sie hätte ihn am liebsten geküßt. Er würde wissen, was zu tun war, damit sie sich besser fühlte.
»Wir sind im Club Bardos gebucht«, sagte er. »Ich verstehe nicht, wie du diesen Namen vergessen konntest.«
Teresa lachte. »Es war eine lange, aufregende Nacht.«
Free nickte. »Und sie ist noch längst nicht vorbei.« Er schwieg einen Moment. »Was wirst du dem Priester erzählen?«
Die Bäume lichteten sich ein wenig, worüber Teresa erleichtert war, denn während der letzten Kilometer hatte sie beinahe Platzangst bekommen. In einiger Entfernung vernahm sie Glockenläuten. Sie kurbelte ihr Fenster herunter. Es hatte aufgehört zu regnen, und der Mond war hervorgekommen. Sie roch Blumen: Rosen und Nelken und Gänseblümchen.
»Ich bin nicht katholisch«, sagte Teresa. »Ich muß ihm überhaupt nichts erzählen.«
»Gut gesagt«, meinte Free.
Die Kirche mußte eine spanische Mission sein, denn in diesem Teil Kaliforniens gab es nichts anderes. Aber sie war keine Mission. Vielmehr sah sie aus wie eine alte englische Kathedrale. Sie war aus quadratischen Granitblöcken erbaut. Vor dem Eingang standen Leute herum, viele Leute – obwohl die Sonne noch kein einziges Lebenszeichen von sich gegeben hatte. Teresa war völlig verwirrt. Zwei seltsame, unheimliche Gebäude in einer Nacht. Eine Hexe aus der Twilight Zone und ein Priester von wer weiß woher. Wirklich, sie hätte vorhin einfach zu Bett gehen sollen.
»Park dort hinten, weiter rechts, wo keine Leute sind«, sagte Poppy. »Sie sind Autos nicht gewohnt.«
»Aber wie kommen sie dann hierher?« sagte Teresa.
»Sie sind halt plötzlich da«, sagte Poppy.
»Alles Versager«, merkte Free an.
»Kommst du mit?« fragte Teresa ihn.
Er lachte schallend. »Ich bitte dich! «
Teresa hielt an, stieg mit Poppy aus und reckte sich ausgiebig. Es duftete herrlich, doch sah sie nirgends auch nur eine Blume. Sie nahm an, daß die Gärten im Kirchhof waren. Es sah so aus, als wären die Kirche und die Nebengebäude um einen Hof herumgebaut worden. Free langte nach seiner Tasche auf dem Rücksitz.
»Ich schätze, ich ziehe mich um. Du wirst mich nicht wiedererkennen, wenn du zurückkommst«, sagte er.
Sie schob den Kopf ins offene Fenster. »Ich gehe bloß mit, damit Poppy zufrieden ist«, sagte sie leise. Poppy sollte es nicht unbedingt hören.
»Du mußt nicht sie glücklich machen«, entgegnete Free, ebenfalls flüsternd. »Du sollst mich glücklich machen.«
Sie grinste vieldeutig. »Ist mir ein Vergnügen.« Sie wollte gerade ihren Kopf aus dem Fenster ziehen, als Free sie festhielt und eindringlich ansah.
»Ich werde dich bald um einen großen Gefallen bitten«, sagte er.
»Was für einen Gefallen?«
»Das wirst du schon sehen. Kann ich auf dich zählen?«
»Sicher.«
»Egal, was für ein Gefallen?« fragte er.
»Ja.«
Er ließ sie los. »Gut.«
Teresa ging mit Poppy auf die Kathedrale zu; der Glockenturm ragte ehrfurchtgebietend in den nächtlichen Himmel empor. Teresa verstand nicht, wieso sie von diesem Gebäude noch nie gehört hatte – es mußte eins der beeindruckendsten in ganz Amerika sein. Doch sie fragte Poppy nicht nach des Rätsels Lösung, denn jedesmal, wenn Poppy etwas sagte, gab sie ihr ein neues Rätsel auf.
»Rede mit keinem außer mit mir und dem Priester«, warnte Poppy sie.
»Wieso?« fragte Teresa.
»Es wäre keine gute Idee, vertrau mir.«
»Ich vertraue dir nicht. Ich habe keine Ahnung, warum ich das hier überhaupt mache. Kannst du mir sagen, warum?«
»Ja«, sagte Poppy. »Du bist hier, weil du zu müde zum Fahren bist.«
»Hört sich logisch an. Hey, kann ich dich etwas fragen?
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