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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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draußen nur einen Wagen sehen. Sie waren allein hier und hatten Schiß. Sie wollten ihre Waffen nicht fallen lassen, denn sie wußten nicht, was John als nächstes tun würde. John wußte es auch nicht. Er brauchte ein paar Sekunden zum Nachdenken, er brauchte das Pulver. Oder vielleicht ein paar Sekunden, um mit Candy zu sprechen. Er hielt ihr eine Waffe an die Schläfe, stimmt, doch ein kurzes Gespräch hätte er trotzdem schön gefunden; vielleicht hätte dies seinem Geist und seinem Körper Frieden geschenkt.
    ›John‹, sagte Candy ruhig. ›Ich muß dir etwas sagen.‹
    Sie überraschte ihn. Sie hätte weinen oder schreien sollen, aber nein, sie sprach ihn so normal an, daß er nicht anders konnte, als etwas zu entgegnen. ›Was?‹ fragte er.
    Sie konnte ihm nicht mehr antworten. Einer der Polizisten hatte seine Waffe fallen gelassen, der andere nicht. Er wollte sein Leben nicht aufs Spiel setzen, obwohl er nur gewillt war, das einer Unbeteiligten zu riskieren. Er zielt auf John, der ein klein wenig links hinter Candy stand. Allerdings war er ein gutes Stück größer als sie; John war ein leichtes Ziel. Der Polizist schoß.
    Die Kugel traf John seitlich in den Hals. Sie traf ihn mit der Wucht eines Güterzuges. John ließ Candy los, fiel auf die Knie. Blut spritzte auf sein T-Shirt. Der Polizist schoß ein zweites Mal. Diese Kugel traf ihn in den Bauch. Sie riß die Messerwunde auf. Mehr Blut spritzte aus seinem Körper. Das war alles, was er in dem Moment sehen konnte – sein herausspritzendes Blut, sein Leben, das sich auf den dreckigen Boden eines Einkaufsladens ergoß. So wollte er nicht sterben; nicht mit dem Gesicht im Dreck. Er hatte die letzten Jahre damit zugebracht, im Dreck zu wühlen, und er wollte mit dem Blick auf etwas Schönes sterben. E sah hoch, und er sah Candy auf ihn hinabstarren. Sie lächelte, ja, er glaubte, sie lächelte. Plötzlich wurde allesdunkel. Aber er hatte noch die Waffe in der Hand, konnte sie fühlen. Seltsamerweise hielt er sie rechts, und den letzten Sekunden seines Lebens hörte in seinen Fingern – seinen Phantomfingern – der Schmerz auf. Seine Hand fühlte sich wieder vollständig an. Es war das wundervollste Gefühl, das John in seinem Leben gehabt hatte. Er schloß die Hand.
    Hm, kann ich es so erzählen und erwarten, daß du mir das abkaufst? Oder sollte ich vielleicht besser sagen, er habe die Waffe auf Candy gerichtet und eiskalt abgedrückt? Dies entspricht wohl eher der Wahrheit, denn er hat sie tatsächlich erschossen. Und man kann guten Gewissens behaupten, daß er es gewollt hat, entweder deswegen, was sie ihm angetan hatte, oder aber weil er einfach nicht allein auf dem verdreckten Fußboden sterben wollte. Er schoß Candy ins Herz, und ihr Lächeln erstarb, während sich in der Mitte ihrer Bluse ein großer dunkler Fleck bildete. Er sah, wie sie langsam zu Boden sank. Aber er sah nicht mehr, wie sie umfiel. Er hörte einen weiteren Schuß; es mußte der Polizist gewesen sein, denn ihm selbst war die Waffe längst aus der Hand gefallen. Er sah etwas Rotes aufblitzen; dann hörte er ein gespenstisches Platschen. Als er nach hinten umstürzte, fiel ihm ein, daß es der Klang seines an die Wand spritzenden Gehirns gewesen sein mußte.
    Er starb, beide starben. Aber stirbt nicht jeder irgendwann?«
    Free schwieg einen Moment. »So, das war die Geschichte von John und Candy.«
    »Mein Gott«, flüsterte Teresa, von dem plötzlichen, gewalttätigen Ende schockiert.
    »Würdest du sagen, daß ich alles korrekt wiedergegeben habe, meine Liebe?« fragte Free Poppy.
    »Du warst einfach wunderbar, Jack«, antwortete sie.

    12. Kapitel
     
     
    Nach Johns und Candys Tod sprachen sie nicht viel. Free lehnte sich zurück und begann leise zu schnarchen. Poppy. hörte mit der Qualmerei auf, aber zündete alle paar Minuten ihr Feuerzeug an. und starrte einige Sekunden in die Flamme. Teresa ihrerseits kämpfte weiter gegen ihre Schmerzen und ihre Übelkeit an. Sie hielt nach einer Raststätte Ausschau, wo sie Aspirin kaufen könnte. Mehrmals war sie kurz davor, an den Straßenrand zu fahren und sich zu übergeben. Und je länger sie fuhr, desto öfter fragte sie sich, wo sie eigentlich waren. Sie hatten San Luis Obispo lange hinter sich gelassen und sollten längst in Big Sur sein. Zwar waren sie in einer Waldgegend, doch die Bäume waren keine Koniferen. Sie hatte keine Ahnung, um welche Baumart es sich handelte, doch die Dinger waren riesig und finster und eng

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