Eine lange dunkle Nacht
ineinander verschlungen Die Äste machten ihr Angst. Sie hingen herunter wie schlaffe Arme, und manchmal erbebten sie, ohne daß der Wind blies. Das Meer war nicht mehr zu sehen, obwohl sie sich einbildete, es hören zu können. Das Geräusch von Wasser hatte sie verfolgt, seitdem sie zu Hause ins Auto gestiegen war: erst das Prasseln des Regens, dann das Tosen der Wellen.
Doch allmählich wurde der Regen schwächer.
»Wir sind fast da«, sagte Poppy unvermittelt, nachdem beinahe eine Stunde lang niemand etwas gesagt hatte.
»Fast wo?« wollte Teresa wissen.
»Bei meinem Vater«, antwortete Poppy.
Teresa gähnte. Sie hatte keine Lust auf einen weiteren Abstecher. »Die Kirche?« fragte sie.
»Ja«, sagte Poppy. »Können wir dort anhalten?«
»Glaube nicht«, sagte Teresa genervt. »Ich fühle mich nicht besonders, und ich will nach San Francisco, bevor ich endgültig zusammenklappe. Wäre es dir recht, wenn du deine soziale Ader für heute vergißt? Dein Vater schläft doch sowieso längst.«
»Er ist wach«, sagte Poppy.
»Poppy?«
»Was?«
»Ich sagte, ich will nicht anhalten. Das hier ist mein Wagen und ich fahre. Du solltest das respektieren und mir nicht auf die Nerven fallen.«
Poppy war einen Moment lang still. »Du wirst dich besser fühlen, wenn dir mein Vater die Beichte abgenommen hat.«
»Weshalb sollte eine Beichte meinen Zustand verbessern? Ich habe Kopfschmerzen, Schüttelfrost, mein Handgelenk fällt fast ab, und ich muß kotzen. Ich brauche einen Arzt, keinen Priester.«
»Ich kann dich nicht zwingen anzuhalten«, sagte Poppy.
Teresa schnaubte. »Freut mich zu hören.«
»Aber du kannst nirgendwo sonst anhalten.«
»Wie meinst du das?«
»Du hältst schon seit einer Weile Ausschau und hast nichts gefunden. Du wirst auch nichts finden, bis wir zur Kirche gelangen. Und wer weiß, was danach kommt?«
Teresa war aufgebracht. »Das ist der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe. Sobald wir aus diesem Wal heraus sind, gibt's tausend Raststätten, wo wir anhalten können. Außerdem sind wir bald in Carmel und danach Monterey.«
»Ist die Straße dorthin überhaupt geöffnet?« fragt Poppy. »Wie viele Autos hast du entgegenkommen gesehen?«
»Ein paar, nicht allzu viele.«
»In den letzten Stunden hast du nicht ein einziges gesehen. Gib's zu«, sagte Poppy. »Halt an der Kirche an, ruh dich eine Weile aus. Sammel deine Kräfte, du wirst sie brauchen.«
»Wozu?« fragte Teresa.
»Wer weiß?« sagte Poppy.
Verkrampft umklammerte Teresa das Lenkrad. Ihre Handflächen waren schweißnaß. Es ergab einfach keinen Sinn; sie hatte sich noch nie so elend gefühlt. Es mußte an dem Zigarettenqualm liegen, den einzuatmen Poppy sie gezwungen hatte.
Wieso sind uns keine Autos entgegengekommen? Irgendwo vorn muß die Straße abgesperrt sein.
Aber sie waren auch von keinem Wagen überholt worden.
»Ich überleg's mir«, sagte Teresa schließlich.
Kurz darauf erreichten sie die Straße, die laut Poppy zur Kirche führte. Teresa wußte nicht, was sie tun sollte. Free schlief noch immer, und sie wollte ihn nicht aufwecken Sie war unsicher, wie sie sich ihm gegenüber verhalten, sollte, jetzt, wo sie miteinander geschlafen hatten. Er verhielt sich ziemlich zurückhaltend, aber sie nahm an, daß es wegen Poppy war. Teresa sehnte sich danach, wieder mit, ihm allein zu sein. Er hatte einen unglaublichen Körper und er gab ihr das Gefühl, sie sei ein wunderschöner, wertvoller Diamant. Dieses Gefühl hatte ihr Bill nie gegeben. Er hatte viel über Liebe und Freundschaft gesprochen, aber Intimität hatte er nicht gewollt. Wahrscheinlich, weil er von Anfang an gewußt hatte, daß er bald wieder mit ihr Schluß machen würde. Und er hatte damit gewartet, bis sie am verletzlichsten gewesen war. Teresa freute sich darauf, Bill ihre Affäre mit Free unter die Nase zu reiben. Andererseits hatte sie sich geschworen, nie wieder mit Bill zu sprechen.
»Du mußt langsamer fahren«, warnte Poppy, als zu ihrer Linken eine Seitenstraße in Sicht kam. Teresa bemerkte, daß sie unwillentlich auf die Bremse trat. Free wachte auf. Teresa setzte den Blinker und fuhr von der Hauptstraße ab.
»Ich weiß wirklich nicht, warum wir zu diesem Mann müssen«, murmelte Teresa.
Free schlug die Augen auf und gähnte. »Wo sind wir?« fragte er.
»Wir gehen in die Kirche«, sagte Poppy von hinten.
Free war gelangweilt. »Hat sie dich dazu überredet, Teresa?« fragte er.
»Mehr oder weniger«, sagte Teresa.
»Du
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