Eine Leiche im Badehaus
vernünftige Entscheidung, rauschen auf und davon, überleben endlose Gefahren und Entbehrungen und kehren dann in die Goldene Stadt zurück, nur um zu erfahren, dass all ihre Lieben von einem Sumpffieber dahingerafft worden sind?
In Britannien gab es eine sehr bösartige Art von Sumpffieber, aber unser Ziel lag ja an der Küste. Hinter dem malerischen Hafen vor dem Palast des Großen Königs würde das vom Wind gepeitschte offene Meer liegen, keine stehenden Tümpel und Moore. Wohlgemerkt, wir mussten zwei Meere überqueren, um dorthin zu gelangen, eines davon eine Furcht erregend stürmische Meerenge.
Helena und ich waren der Ansicht, ein Leben solle gemeinsam geführt werden. Privat, häuslich und gemeinsam. Gemeinsam mit unserer Familie – zwei Kindern, einem maulenden Kindermädchen, unserem räudigen Hund. Plus meinen beiden Gehilfen, den Camilli. Und dank der Parzen, die ihren Sinn für Humor wiedergefunden hatten, mit der Ergänzung auf diesem Kai durch meine Schwester Maia und ihre sämtlichen Kinder, die sich immer noch nicht mit uns in Sicherheit begeben wollten, aber zu unserer Verabschiedung im Weg rumstanden. Dann war da noch Petronius. Er war mitgezockelt, behauptete, er wolle seine Töchter in Ostia besuchen.
»Habt ihr eure Socken?«, hörte ich ihn die beiden Camilli aufziehen. Für sie war das Wort neu. Wenn wir auf unser nächstes Schiff trafen und die kalte und windumtoste Gallische Meerenge überquerten, würde derjenige von ihnen, der immer noch bei uns war, schon den Sinn für gestrickte, einzehige Socken kapieren.
»Am Ende haben wir sie beide am Hals«, meinte Helena leise.
»O ja. Dein Vater fand es einer formellen Wette wert.«
»Wie hoch?«
»Zu hoch.«
»Ihr zwei seid unverbesserlich … Vater kann sich auf was gefasst machen. Meine Mutter hat beiden Brüdern befohlen, in Rom zu bleiben.«
»Dann nehmen wir auf jeden Fall beide mit. Damit ist die Sache entschieden, Süße.«
Jetzt lächelten wir beide. Helena und ich würden genussvoll beobachten, wie die Jungs den richtigen Zeitpunkt für ihr Geständnis zu finden versuchten.
Hyspale war schon übel, bevor sie überhaupt das Schiff betrat. Sobald sie an Bord war, zerrte Helena sie in die winzige Kabine und nahm Maia mit, um die Frau zu beruhigen. Ich ging mit Aelianus unter Deck und verstaute unser Gepäck für Britannien. Justinus hatte die undankbare Aufgabe, der Schiffsmannschaft zu verklickern, dass einige Sachen während der Überfahrt gebraucht wurden. Wir besaßen ein gutes System von Identifizierungsschildern. Ungeachtet dessen hatte irgendjemand alles durcheinander gebracht. Bisher fehlte nichts, soweit ich das beurteilen konnte, aber es schien Gepäck zu geben, von dem ich nichts wusste.
Es macht einen immer fertig, darauf zu warten, dass eine lange Reise beginnt. Im Nachhinein gesehen gab es vielleicht mehr Anspannung, als nötig gewesen wäre. Vielleicht fauchten die Leute mehr und wuselten nervöser durcheinander als gewöhnlich. Es gibt Gebrüll und Gerumpel, wenn ein Schiff beladen wird. Die Mannschaft macht sich einen Spaß daraus, den Passagieren nicht mitzuteilen, wo was verstaut wird. Die Leinen loszumachen scheint ihre Ausrede dafür zu sein, Besucher an Bord in Panik zu versetzen.
Daher war ich diesmal an dem, was passierte, nicht Schuld. Ich war sowieso unten im Schiffsbauch. Dann hörte ich einen Schrei.
Als ich die Strickleiter zum Hauptdeck hinaufkletterte, erfüllte mich eine andere Sorge. Das Rumpeln und Wackeln war von etwas Gleichmäßigerem abgelöst worden. Ich spürte die Veränderung der Luftbewegung, dann brachte mich eine Welle unter dem Schiffsrumpf fast aus dem Gleichgewicht.
»Wir segeln schon!«, rief Aelianus aufgeregt. Mich überkam eine Vorahnung. Ein nervöses Gewusel verriet mir bereits das Schlimmste. Der Kapitän hatte abgelegt und segelte aus dem Hafen von Portus hinaus – unglücklicherweise, während Maia noch bei uns an Bord war.
Meine Schwester klammerte sich jetzt an die Reling, bereit, sich über Bord zu werfen wie eine Najade, die vor Sonne und Schaum verrückt geworden ist. Ich hatte Maia noch nie so hysterisch erlebt. Sie kreischte, dass man ihr ihre Kinder entrissen habe. Nur schiere Kraft von Justinus, der die Situation in seiner üblichen Schnelligkeit begriffen und Maia gepackt hatte, hielt sie davon ab, über Bord zu springen und zu versuchen an Land zu kommen. Genau wie ich hatte Maia nie schwimmen gelernt.
»Endlich nimmt mein Bruder mal eine Frau fest
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