Eine Leiche zu Ferragosto
steinernen Vorsprung. Im schattigen Innern war es kühl und roch ein wenig feucht. Zögernd tat er ein paar Schritte, die Finsternis vor ihm war undurchdringlich, hinter ihm blendete ein Spalt des strahlend blauen, fast weißen Himmels die Augen, die sich nur langsam an die Dunkelheit gewöhnten. Er ging weiter und zog unmerklich den Kopf unter der Felsendecke ein, die auf ihn herabdrückte. Seine kahlgeschorene Kopfhaut kribbelte, wenn er Haare gehabt hätte, hätten sie ihm sicher zu Berge gestanden.
Der Schlag kam kaum mehr überraschend.
Er fühlte einen Luftzug hinter sich, aus einer Nische, an der er unvorsichtigerweise vorbeigegangen war und die wahrscheinlich den Zugang zu einem Nebenstollen bildete, der von dem Hauptweg abzweigte. Er konnte sich nicht mehr umdrehen, nur so weit, dass er einen schwarzen Schatten wahrnahm, der sich vor die Sonne und den blauen Himmel schob. Dann explodierte sein armer, wehrloser Kopf in einem Funkenregen aus Farben und Klängen und Musik und Schmerz, wie er es sich niemals hatte vorstellen können.
Er merkte noch, wie er zu Boden stürzte und seine Wange etwas Seidiges berührte. Er konnte lange schwarze Haare erkennen, dann einen weichen Stoff, eine sanfte Stimme, die etwas flüsterte, und smaragdgrüne Fingernägel, während wieder etwas schrecklich Hartes auf seinen Schädel niederging. Ein blendender Lichtschein vor seinen Augen, die ihre Kraft verloren, eine Messerklinge, noch einmal schwarze Haare, die ihm über die Wange strichen, bis er endlich im dunklen Abgrund versank.Viel später tauchte er wieder auf, umgeben von aufgeregten Stimmen und Händen, die ihn hektisch befühlten, betasteten und ihn schließlich aufhoben und hinausschleppten. Er wehrte sich, so gut er konnte, wenngleich sein Kopf bei jeder Bewegung vom Hals zu kippen drohte und sich aufblähte wie ein Ballon kurz vorm Zerplatzen. Schließlich gelang es ihm, die armen alten, wohlmeinenden Aufseher zu beruhigen, die fürchteten, eine Leiche gefunden zu haben, und es stattdessen mit einem lebendigen, fuchsteufelswilden Carabiniere zu tun bekamen. Sie trugen ihn nach unten trotz seiner Beteuerungen, er könne allein gehen. Wahrscheinlich stimmte das auch gar nicht, aber immerhin war es ihm vorher gelungen, sich schnell noch einmal hineinzuschleppen und in seinem Taschentuch das Messer zu bergen.
Im Büroraum hinter dem Kassenhäuschen wurde er von einem Arzt untersucht, den die Angestellten irgendwo aufgetrieben hatten. Es war später Nachmittag, das Ausgrabungsgelände schloss gerade, und er hatte eine ganze Menge Glück gehabt.
Der Arzt konnte nur eine Platzwunde am Kopf und ein leichtes Schädeltrauma feststellen. Er empfahl ihm, ein Krankenhaus aufzusuchen und eine CT machen zu lassen, Santomauro tat so, als wolle er den Rat befolgen, und der Arzt tat so, als nehme er ihm das ab.
Als er dem Personal nach zehn Minuten und zwei Gläsern Wasser versicherte, dass er Auto fahren könne, und sich verabschiedete, wirkten sie alle erleichtert.
Architekt Mazzoleni war anfangs ziemlich schockiert, als er, von seiner Bootstour zurück, von Sangiacomos Geniestreich erfuhr, doch nachdem er schnell festgestellt hatte, dass im Haus nichts fehlte, beschloss er, darüber hinwegzugehen.
»Ich tue das auch für Elena, Maresciallo. Ich will nicht noch mehr Aufsehen.«
»Wenn es Ihnen lieber ist«, erwiderte Santomauro und verabschiedete sich kurz darauf mit einem bitterbösen Manfredi im Schlepptau.
»Findest du das gerecht, Simone? Dieses Stück Scheiße in Menschengestalt soll ungeschoren davonkommen?«
»Lass gut sein, Totò.« In seinem Kopf hämmerte ein Rhythmus, der vage Ähnlichkeit mit dem Walkürenritt hatte, er trug immer noch das Hemd mit dem blutverschmierten Kragen und fühlte sich schmutzig und verklebt. Mazzoleni hatte ihn mit erstauntem Blick angesehen, aber höflicherweise nichts gesagt. Weniger diskret war Manfredi gewesen, bis er ihn mit einem Brüllen zum Schweigen gebracht hatte, das schmerzhaft in seinem lädierten Hirn nachhallte.
»Wir hatten ihn in der Hand! Und nicht nur wegen des Einbruchs. Wer sagt dir, dass die Märchen, die er uns aufgetischt hat, wahr sind? Wer sagt dir, dass er nicht nach Spuren seines Verbrechens gesucht hat, um sie zu verwischen?«
»Niemand sagt mir das, deshalb werden wir ihn im Auge behalten. Und in der Zwischenzeit hoffen wir, dass der Aufenthalt in der Kaserne ihm eine Lehre war.« Mit geschlossenen Augen, den Schädel an die Kopfstütze gelehnt,
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