Eine Leiche zu Ferragosto
irgendeinen Vorwand, um ihn vor ihrer Rückkehr in die Stadt noch einmal zu sehen. Sie würde morgen darüber nachdenken. Vielleicht konnte sie Lillo um Rat bitten. Und mit einem Schulterzucken öffnete sie den Schrank und begann Kleider hervorzuziehen, um etwas Passendes für den Abend auszusuchen.
Santomauro starrte auf das Telefon. War das wieder einer dieser kleinen Polignani-Tricks? Nein, er hielt sich nicht für so unwiderstehlich,aber sie war eine Frau, die gerne spielte. Oder würde diese Verabredung ihm auch wieder nur einen Schlag auf den Kopf bescheren?
Er hatte in der Kaserne nichts von dem unglückseligen Ausgang seines Abenteuers in der Ausgrabungsstätte von Velia erzählt, wenngleich keiner seiner Männer ihm die Geschichte vom angeblichen Treppensturz abgenommen hatte. Nach der Unterhaltung mit Mazzoleni war er im Büro sitzen geblieben und hatte nachgedacht, hatte versucht, die Lage im Geist zu ordnen, und darüber das Abendessen verpasst. War die Frau, die er kurz vor seiner Bewusstlosigkeit erspäht hatte, Valentina Forlenza gewesen? Und wenn nicht Valentina, wer dann? Warum hatte sie ihn in die Falle gelockt? Und die wichtigste Frage von allen: Warum hatte sie ihn nicht getötet? Sie hätte die Gelegenheit und alle Zeit der Welt gehabt, es zu tun, aber sie hatte ihn neben diesem Messer liegen lassen, das, da war er sich sicher, die Tatwaffe des Mazzoleni-Deliktes war. Was sollte das alles bedeuten?
Er hatte Kopfschmerzen, das Blut pulsierte dumpf in seinem Schädel, während er sich bemühte, sich jedes Detail der wenigen Augenblicke ins Gedächtnis zu rufen. Nichts zu machen, nur die Fingernägel und die Haare, sonst erinnerte er sich an nichts, nicht einmal an einen flüchtigen Eindruck ihres Gesichts, ihrer Haut oder ihrer Hände. Er verspürte eine obskure Sehnsucht, fast eine Art Bedauern, dass er nicht mehr von ihr erhascht hatte, mehr als ein kleines Stückchen dieser sich immer wieder entziehenden Valentina, die ihn zum Narren gehalten hatte.
Zu erklären, wie er in den Besitz des Messers gekommen war, fiel ihm nicht schwer, als er es im Labor zur Untersuchung ablieferte. Der anonyme Anruf, die Verabredung, und der Fund der Waffe am vereinbarten Treffpunkt, alles kein Problem, ohne den Schlag auf den Kopf und sie, Valentina, erwähnen zu müssen.
Aber warum? Warum wollte er sie unbedingt schützen, warum hatte er die Videokassette behalten, die er aus Samirs Zimmer hatte mitgehen lassen? War sie die Mörderin? Vorsichtigließ er seinen schmerzenden Kopf gegen die Lehne sinken, wollte nur für einen Moment die Augen schließen.
Stattdessen schlief er zwei Stunden und träumte von ihr.
Es war Nacht, sie schwamm in dem tintenschwarzen Meer und winkte ihm zu. Er sah ihre lackierten Fingernägel, das rot leuchtende Lächeln, dann tauchte sie unter und verschwand im Wasser, doch einen Augenblick, einen kurzen Augenblick lang konnte er ihren Fischschwanz ausmachen, smaragdgrün wie ihre Nägel.
Pietro Gnarra weckte ihn unsanft mit den neuesten Nachrichten aus Acciaroli.
Während sie mit der maximalen Geschwindigkeit, die Pietros Autoparanoia zuließ, und mit in jeder Kurve quietschenden Reifen bergab fuhren und er versuchte, der Verwirrung in seinem schmerzenden Kopf Herr zu werden, wurde er das Gefühl nicht los, dass der Traum etwas zu bedeuten hatte.
Eine der größten, wenn auch uneingestandenen Attraktionen der Sommerabende in Acciaroli war das Puppentheater der Brüder Ferrajolo.
Uneingestanden deshalb, weil kaum ein Erwachsener je offen zugeben würde, dass er dort eine Vorstellung besuchte, außer natürlich, um den Nachwuchs zu begleiten. In Wahrheit aber zogen die Vorführungen mit ihrem abendlich wechselnden Programm auch Erwachsene magisch an, denn die Marionetten waren amüsant, Pulcinella oder Felice Sciosciammocca sogar richtig komisch, und ihre doppeldeutigen Wortgefechte ließen viele Mütter und Väter laut auflachen, während die Kinder sich erstaunt ansahen.
An der cilentanischen Küste zwischen Acciaroli und Casale Marino gab es zwei Freiluftkinos, die sich programmlich gewissermaßen ergänzten: Wurde im Arena donnerstags ein bestimmter Film gezeigt, konnte man sicher sein, dass derselbe Film am Freitag oder Samstag im Splendid laufen würde. Es war also nicht verwunderlich, wenn die Leute nach dem Abendessengelangweilt durch den Hafen von Acciaroli schlenderten und wie zufällig unaufhaltsam dem Ende des Hafens zustrebten, wo seit undenklichen
Weitere Kostenlose Bücher