Eine Leiche zu Ferragosto
er immer noch nicht herausfinden, was aus ihr geworden ist!«
»Sehen Sie, Sie dürfen nichts auf das Gerede dieser Hexen geben. Ich habe die Sache mit Valentina ja sowieso nie geglaubt. Eigentlich war er das Opfer. Elena konnte ganz hervorragend die Heulsuse spielen. Pippo hier, Pippo da, aber in Wirklichkeit brachte sie immer ihre Schäfchen ins Trockne und ließ ihn dastehen wie das Aas. Wenn Sie es genau wissen wollen, Elena war eine Heuchlerin.«
»Erzählen Sie mir etwas über diese Valentina, ist sie auch in Pioppica?«
Bebè lachte zufrieden auf und schüttelte ihre langen Haare, so dass sich ein Tröpfchenregen über den Maresciallo ergoss.
»Nein! Ich habe sie seit mindestens zwei Jahren nicht mehr gesehen. Ich glaube, sie hat hier noch eine Villa, aber genau weiß ich es nicht. Immer in der Welt unterwegs ist die, ohne Wurzeln, die gibt auf nichts und niemanden etwas, auch nicht auf das Geschwätz der Leute. Denn die Leute können sehr gemein sein, wissen Sie, auch die sogenannten Freunde.«
Santomauro stimmte ihr zu, und nachdem er für sich geklärt hatte, dass Bebè entweder nicht alle Tassen im Schrank hatte oder es ihm überzeugend vorspielte, verabschiedete er sich, bevor sie auf die Idee käme, ihn zur Schulter ihrer Wahl zu küren, um sich auszuheulen. Er würde später noch einmal auf sie zurückkommen, wenn er sich einen besseren Überblick verschafft hatte, mit Fragen, aus denen sie sich nicht herauswinden konnte.
Während er den Aufstieg begann, hörte er seinen Namen rufen. Die Polignani lehnte am Mäuerchen und lächelte maliziös.
»Ich habe Ihnen natürlich nichts von Samir gesagt, aber fragen Sie mal Regina nach ihm.« Und mit einem Winken ging sie hüfteschwingend in Richtung Meer zurück.
»Dieses miese kleine Drecksstück! Wenn man bedenkt, dass wir sie beim Bridge nur zugelassen haben, weil der Notar, die guteSeele, einer von uns und ein passabler Spieler war. Sie hingegen … Fragen Sie lieber gar nicht, Maresciallo.«
Santomauro wollte aber fragen, unbedingt. Regina Capece Bosco wirkte wie ein Vulkan, der unter einer ganz dünnen Schicht aus Asche und Steinen schwelte, und er wollte dabei sein, wenn er explodierte.
Sie war eine junggebliebene Mittvierzigerin, hochgewachsen, mit imposanten Brüsten und langen, äußerst wohlgeformten Beinen. Ihr Gesicht war nicht hübsch, aber markant: tiefschwarze Haare und Augen, das Profil einer Anjelica Huston, und sie hatte eine direkte, temperamentvolle Art, die man auf Anhieb lieben oder hassen musste. Die meisten liebten sie, und Regina war die unumstrittene Sommerkönigin von Pioppica, nicht nur dem Namen nach. Santomauro kannte sie vom Sehen und fand sie sympathisch.
»Sie müssen mich entschuldigen, Maresciallo, aber die Sache mit Elena hat mich wirklich mitgenommen. Wir waren befreundet, sehr eng befreundet, und seit gestern kann ich an nichts anderes mehr denken.«
Dass sie angegriffen war, sah man, und nicht erst, seit Santomauro Andeutungen über Bebès Kommentare hatte fallenlassen. Der Couchtisch beim Sofa stand voller überquellender Aschenbecher, und die Luft war gesättigt von Zigarettenqualm. Regina nippte an einem Martini, während der Maresciallo einen Espresso annahm, serviert von einer mageren Philippinerin, die sich dann schnell wieder zurückzog.
»Heute Nacht habe ich kein Auge zugetan. Ich war hier und habe nachgedacht«, meinte sie mit einer ausladenden Armbewegung durch das außergewöhnliche Wohnzimmer, das in einem Meer aus Unordnung versank. Offensichtlich hatte man die Philippinerin schon eine Weile ferngehalten. Auf einem kleinen Tisch lagen weitere Papiere, überragt von noch mehr Aschenbechern. Ein Sofa wies deutliche Spuren auf, dass jemand hier die Nacht zugebracht hatte, rauchend und in einer Bridgezeitung blätternd, die nun zusammengerollt auf dem Boden lag. Es stand dicht bei einem der großen Panoramafenster. Die Feste LaRocca war um das Jahr dreizehnhundert als Bollwerk der lokalen Herrscher gegen die Sarazenenangriffe errichtet worden. Hier oben hatte die Landbevölkerung sich in Sicherheit gebracht, kaum dass sie am Horizont die gefürchteten feindlichen Schiffe auftauchen sah. Die Familie Capece Bosco besaß die Rocca seit undenklichen Zeiten, und Regina, einzig verbliebene Erbin, ließ sich hier jeden Sommer mit ihrem Hofstaat nieder. Früher hatte es auch einen Ehemann gegeben, dessen Spur sich aber schon vor langer Zeit verloren hatte. Auf dem Grundstück befanden sich, allerdings in
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