Eine Leiche zu Ferragosto
Verstümmelungen an Elenas Körper? Nicht die Schnittwunden, die zu ihrem Tod geführt haben, die, wie Sie sicher noch wissen, nicht nur sehr zahlreich, sondern auch mit unterschiedlicher Kraft und Akkuratesse angebracht wurden, wie es für einen Mörder typisch ist, der in blinder Wut handelt. Ich meine die Wunden post mortem.«
Santomauro erinnerte sich nur zu gut. Sofort hatte er das Bild von der Leiche in den Algen wieder vor Augen, die schrecklichen Schnitte, die den Unterleib durchzogen, den Brustkorb, die Arme, an einigen Stellen bis auf die darunterliegenden Knochen. Und er erinnerte sich noch gut an die anderen Wunden, die Verstümmelungen, von denen de Collis sprach. Finger und Zehen. Die Brustwarzen. Das lockere Gewebe im Gesicht, an Wangen, Nase, Kinn, sogar die Ohren.
»Aber Sie hielten es für das Werk von Tieren …«
»Es war die naheliegendste Annahme, aber wenn Sie sich recht erinnern, sagte ich auch, dass ich Zweifel hegte, weil einige absichtlich angebracht schienen. Die Unerfahrenheit in der Ausführung hat mich auf die falsche Fährte gesetzt, sie wurden von einer ungeübten Hand ausgeführt, die häufig zerbricht, statt zerlegt, doch sie sind zweifellos das Werk eines Menschen, zumindest ein paar von ihnen. Und außerdem wurden sie ihr einige Zeit nach dem Tod beigebracht.«
»Sind Sie sicher?«
»So sicher man nur sein kann. Nun ist es an Ihnen, Maresciallo. Was ich sagen musste, habe ich gesagt.«
Was bedeutete das alles? Santomauro starrte auf das stumme Telefon und rieb sich den Haaransatz. Zweifel waren das eine, Gewissheit etwas anderes. Der Mörder wollte sie über den Tod hinaus verunstalten und verstümmeln, aber warum? Das Gesicht mochte ja noch angehen, es zu entstellen und zu zerstören war verständlich, die logische Fortsetzung der in blinder Wut begonnenen Zerstörung. Santomauro hatte den Bericht noch vor Augen. Elena hatte versucht, sich zu verteidigen, hatte schützend ihre Arme vor sich gehalten, und manche Stiche hatten das Gesicht und auch die Finger oder die Unterarme getroffen. Danach hatte der Schlachter sein Werk vollendet. Aber warum die Finger? Manche fehlten ganz, bei anderen nur die ersten Glieder, doch die Verunstaltung war komplett, Hände und Füße waren gleichermaßen verstümmelt. Um die Identifizierung zu verhindern? Aber warum hatte er sie dann vor aller Augen liegen lassen, als sie noch zu identifizieren war, wennauch unter Schwierigkeiten? Warum hatte er die Leiche in die Algen gelegt, die am Sonntag zusammengeharkt worden waren, um am Donnerstag abtransportiert zu werden?
Hier lag der Knackpunkt des Ganzen – warum hatte sie versteckt werden müssen, aber nur für ein paar Tage? Wenn er das herausfand, kam er dem ganzen Verbrechen auf die Spur.
Santomauro fühlte, wie sich eine wohlbekannte Resignation seines Herzens bemächtigte. Er war weit von der Lösung des Falles entfernt, allen Verdachtsmomenten und Zweifeln, die durch seinen Kopf geisterten, zum Trotz.
Nun stand ein Besuch bei Gerry Buonocore an, und Santomauro beschloss, mit ihm den Tag zu beenden, bevor er sich selbst auf die faule Haut legen würde. In Gnarras Wagen fuhren sie zu der prächtigen, auf halber Höhe gelegenen Villa hinab.
Ingenieur Buonocore war ein kleiner, herzlicher Mann mit pockennarbigem Gesicht, seine Frau Aloshi der lebende Gegenbeweis für das Gerücht, Japanerinnen seien hässlich und hätten kurze, krumme Beine.
»Als ich sie kennenlernte, arbeitete sie als Stewardess. Ich habe sie mir noch vor dem Ausstieg aus dem Flieger geschnappt«, vertraute er ihnen an, um sie dann zum Essen einzuladen, während seine Frau anmutig dazu lächelte. Es war bereits Abend, an ein Mittagessen konnten sich die beiden Carabinieri nicht erinnern, und der niedrige Tisch war so einladend gedeckt, dass sie unvorsichtigerweise zustimmten, um es gleich darauf zu bereuen. Das Abendessen bestand ausschließlich aus Sushi, serviert von der stummen Aloshi, die gleich darauf wieder verschwand.
»Wir haben ein Dienstmädchen aus Pioppica, aber ich will nicht, dass Aloshi ihre guten Gewohnheiten verliert«, meinte der Ingenieur mit einem Augenzwinkern. »Das Problem bei diesen Asiatinnen ist, dass sie in ihrer Heimat alle zuckersüß, demütig und zuvorkommend sind, die idealen Frauen. Aber kaum sind sie hier, wollen sie plötzlich ein Dienstmädchen, ein Auto, ein Bankkonto und eine Kreditkarte. Dann ist es aus mit den Massagen,dem Einseifen des Rückens, dem Frühstück ans Bett und
Weitere Kostenlose Bücher