Eine Leiche zu Ferragosto
Bridgepartien. Ob es jemanden gab, der ihr übel gewollt hätte? Neeein, sie war eine ganz entzückende Person, weit und breit keine Feinde. Regina vielleicht, wegen der Schulden, aber Elena war großzügig und hatte sie auf alle möglichen Arten beruhigt. Bebè mochte sie auch nicht besonders, war ja logisch, aber gleich jemanden ermorden, nur weil er herumerzählt, man sei ein Wanderpokal, wenn’s auch noch stimmte, Brigadiere, sagen Sie selbst, halten Sie das für möglich? Nein, das hielt auch der Brigadiere für unmöglich. Sonst noch Lieblingsfeinde? Gerry, also der konnte Elena wirklich auf den Tod nicht ausstehen, weil sie seiner dritten Frau die Existenz von Nummer eins und zwei offenbart hatte, aber das ist eine alte Geschichte, mindestens schon ein Jahr her …
»Und an dem Punkt kam ihr Mann, und ich kann dir sagen, Simone, da wurde mir angst und bange, und ich bin gegangen, auch weil die Signora mir ihre blöden orangenen Fußnägel fastin den Rachen schob und er hingegen aussah, als wolle er mir sämtliche Schoko-Auberginen-Pralinés Stück für Stück du weißt schon wohin schieben. Ansonsten glaube ich aber, dass sie nichts mit dem Verbrechen zu tun haben. Die sind viel zu sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig fertigzumachen. Wenn in dem Haus irgendwann ein Blutbad passiert, würde es mich nicht wundern. Die Frage ist nur, wer sich als Erster entschließt, den anderen abzumurksen.«
Santomauro lachte und nickte. Er kannte Avvocato D’Onofrio vom Sehen, und er hatte auf ihn immer den Eindruck eines Verrückten gemacht, der sich den Anschein von Normalität gibt. Seine Frau Mina saß auf einem Pulverfass und amüsierte sich wahrscheinlich noch dabei. Aber er musste sich um die bereits geschehenen Morde kümmern und hatte keine Zeit, sich mit den zukünftigen zu beschäftigen.
»Dieser Gerry, wer ist das? Doch nicht etwa Ingenieur Buonocore?«
»Genau der, was soll das, willst du mir Konkurrenz machen?«
»Ich wusste, dass er schon mal verheiratet war, aber nichts Genaueres. Das ist doch nicht der mit der Asiatin?«
»Die diesjährige ist seine vierte Frau, aber nicht mehr die vom letzten Sommer, die nach Elena Mazzolenis Enthüllungen in ihre Heimat zurückgekehrt ist.«
»Das musst du mir genauer erklären: Wie schafft er es, so oft verheiratet zu sein, obwohl er jünger ist als ich?«
»Die Erste war eine Inderin, nach hinduistischem Ritus«, begann Gnarra an den Fingern aufzuzählen, »die Zweite eine Philippinerin nach moslemischem Ritus, dann eine Srilankanerin nach buddhistischem Ritus und schließlich eine Japanerin nach shintoistischem Ritus. Was willst du machen, er scheint eine Schwäche für Asiatinnen zu haben.«
»Maresciallo? Ich muss Sie sprechen.«
De Collis’ Stimme klang merkwürdig erregt. Santomauro klemmte sich den Telefonhörer ans Ohr und machte Cozzone ein Zeichen, die Tür zu schließen.
»Was gibt es denn, Professore? Soll ich vielleicht zu Ihnen kommen?«
»Nein, nein, das ist nicht nötig«, erwiderte der Mann eilig, dann schien er nach einer kurzen Pause seine innere Ruhe wiederzufinden. Santomauro sah ihn quasi vor sich, mit seiner tadellosen Frisur und den aristokratischen Fingern, die glättend über den gepflegten Schnurrbart strichen.
»Sehen Sie, Maresciallo, ich habe hier die Kopie des Obduktionsberichts der armen Elena vor mir, übrigens habe ich ihn heute Morgen zu Ihnen rübergeschickt, Sie haben ihn sicher gelesen?« Und ohne eine Zustimmung abzuwarten, fuhr er fort: »Ich meine mich zu erinnern, es Ihnen im Gespräch bereits angedeutet zu haben, als Zweifel, Verdacht, Hypothese, und nun sehe ich, dass in der endgültigen Schriftfassung keine Rede mehr davon ist. Also bin ich meine Notizen noch einmal durchgegangen, ebenso wie die Tonaufnahme, die ich von der Autopsie gemacht habe. Ich habe einen Voice Recorder, Sie kennen das?«
Santomauro bejahte.
»Nun, anhand meiner Notizen und meiner Erinnerungen bin ich mir einer Sache so gut wie sicher, die ich mir nicht erklären kann und von der ich nicht weiß, ob sie den Ermittlungen von Nutzen ist oder nicht, doch ich halte es für meine Pflicht, Sie darüber in Kenntnis zu setzen.«
»Gewiss, bitte sprechen Sie«, meinte der Maresciallo mehr ungeduldig als neugierig.
»Wie gesagt, mündlich habe ich es Ihnen bereits angedeutet, doch damals hielt ich es für eine vage Möglichkeit, während ich mir nun sicher bin. Fast sicher, besser gesagt.«
»Jaaa …?«
»Sie erinnern sich an die
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