Eine Leiche zu Ferragosto
jemanden bei ihm angetroffen, der nicht unbedingt die passende Gesellschaft für einen Mann zu sein schien, dem die Frau ermordet, aus einem Haufen schimmelnder Algen geborgen und einer Autopsie unterzogen worden war. Sein Gast war de Collis, und der Maresciallo hoffte inständig, dass er sich nicht zu irgendwelchen Vertraulichkeiten hatte hinreißen lassen, doch ein zweiter Blick in Mazzolenis graues und eingefallenes Gesicht ernüchterte ihn. Dennoch wirkte der Mann gelassen, die Hände, mit denen er ihm die Kaffeetasse reichte, waren ruhig, und der müde Blick aus seinen hellen Augen wirkte wie der eines Menschen, der irgendwie in den Hafen einläuft.
»Sie finden es vielleicht merkwürdig, Maresciallo, aber ich bin erleichtert, dass ich Elenas Beerdigung veranlassen kann. Wenn ich sonst schon nichts tun kann.«
»Die Ermittlungen sind in vollem Gange, Sie werden sehen, dass wir bald weiterkommen.«
»Aber wo wollen Sie denn hin, Maresciallo, gehen Sie einfach bis Eboli, wie Christus, und bleiben Sie dort!«
»Leandro, bitte, der Maresciallo macht doch nur seine Arbeit, und er macht sie gut. Weder du noch ich können mehr tun, also bitte … Ich weiß, wie sehr du an Elena gehangen hast, das muss auch für dich sehr schwer sein …«
De Collis wurde rot und senkte den Blick. Santomauro sah ihn interessiert an.
Bebè Polignani war eine besessene Schwimmerin. Ihr Dienstmädchen, eine Cilentanerin mittleren Alters, geschminkt und schmuckbehängt wie eine Herzogin und mit einem schwarzen Seidentüchlein um den Hals, erklärte Santomauro, an welcher Stelle er die steilen Treppenstufen fände, die zum Felsstrand hinabführten, und mit einer gewissen Vorsicht und barfüßig erreichte er Meeresniveau, ohne sich das Genick zu brechen.
Er setzte sich wartend ans Ufer unter einen Baum, der ein wenig Schatten spendete. Die Wasseroberfläche vor ihm war spiegelglatt, wie immer in Pioppica bis neun oder zehn Uhr vormittags. Anschließend kam Wind auf, der zur Freude der Surfer und Segler manchmal bis zum Nachmittag anhielt. Santomauro schwamm gerne, und hin und wieder hatte auch er es am frühen Morgen bis zur Spitze der Landzunge hinaus geschafft, die für alle besonnenen Schwimmer die magische Grenze darstellte. Er tauchte auch gerne mit der Sauerstoffmaske und erforschte den charakteristischen Artenreichtum am Meeresgrund. Darin bot Pioppica Material im Überfluss, und nicht selten war er auf Muränen, Kraken und verschiedene andere Vertreter der Unterwasserfauna gestoßen.
Seine Frau Iolanda hingegen hatte sich stets vor allen Wassertieren geekelt. Die wenigen Male, die sie gemeinsam im Meer geschwommen waren, hatte sie die Tauchermaske abgelehnt, weil sie, wie sie sagte, lieber nicht wissen wollte, was unter ihr los war. Meistens hatte sie ihn deshalb ins Schwimmbad geschleppt, wo sie am Betonrand und auf dem künstlichen Rasen gerade so viel wilde Natur antraf, wie sie ertragen konnte. Oder zu einem späteren Zeitpunkt ihrer Ehe, als sie in Neapel lebten, auf die Yachten von Leuten, die sie kennengelernt hatte, wo sie glückselig in der Sonne lag und oben ohne ihren perfekten Leib zur Schau stellte.
Sie hatte diesen gewissen Körper und dieses bestimmte Gesicht,die wie geschaffen dafür scheinen, Männer auf schmutzige Gedanken zu bringen. Sie hatte ein wenig Ähnlichkeit mit dem Pornosternchen Moana Pozzi, nur dass ihre Haare und Augen von einem samtigen Tiefschwarz waren. Santomauro hatte sie sehr geliebt und alles so lange wie möglich ertragen, indem er vorgab, nichts von dem zu wissen, was er längst ahnte.
Das Ende war erreicht, als sie mit einem blauen Auge nach Hause kam, das sich auch unter Make-up nicht verbergen ließ, und ihm unter Tränen gebeichtet hatte, dass sie von dem Mann geschlagen worden war, der sich ihr Geliebter schimpfte. Santomauro hatte ihr die Prellung gekühlt, dann war er den Typen suchen gegangen und hatte ihn brutal verprügelt. Iolanda war ausgezogen und Santomauro versetzt worden, da der Geck, den er vermöbelt hatte, der Sohn eines bekannten neapolitanischen Politikers war, mit Sitz im Abgeordnetenhaus und einflussreichen Freunden in höchsten Militärkreisen. Nach einem kurzen Exil im sardischen Nirgendwo hatten die Vorgesetzten beschlossen, dass man nicht unnötig grausam sein musste, und ihm diesen ruhigen und im Großen und Ganzen nicht unangenehmen Ort Pioppica zugewiesen. Ganz sicher hatte zu dieser Milde auch das nicht erneuerte Mandat beigetragen, mit dem die
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