Eine Leiche zu Ferragosto
fahren hin und reden mit ihm«, korrigierte ihn der Maresciallo.
Die Finger waren einfach gewesen, wenn man den Dreh erst mal raus hatte. Man stach mit der Messerspitze in das Gelenk zwischen zweitem und drittem Fingerglied, ganz mühelos, weil das Gewebe schon weicher geworden war, und dann hebelte man die beiden Knöchelchen einfach aus. So war es viel leichter, als wenn man die Klinge als Säge benutzte, das dauerte länger, der Finger rollte unschön hin und her, und es war schwieriger, den Blick von den Fingernägeln abzuwenden, die, warum auch immer, wie die einer lebendigen Frau aussahen.
Auch die Zehen waren leicht gegangen, sie waren kürzer, der kleine fast nur ein Stummel. Einen Moment lang war es rührend gewesen, diese kleinen Zehchen wiederzusehen, doch dann kamen sie trotzdem ab.
Das Gesicht hingegen war schwierig gewesen. Obwohl es durch die Messerstiche entstellt und zerfetzt und zu einer hässlichen Fratze verzogen war, war es doch immer noch ihr Gesicht.Das würde es danach nicht mehr sein. Weg mit den Ohren, weg mit den Lippen, diese Lippen, oh, die Erinnerung an die vielen Küsse, weg mit der Nase und den Wangen, und am Ende, das Schlimmste von allem, die Augen, diese Augen schienen immer noch zu sehen, aufgerissen in unaussprechlicher Angst.
Lieber nicht an die Augen denken.
Titta Sangiacomo schien von ihrem Besuch nicht sonderlich überrascht oder besorgt. Er ließ sie im Wohnzimmer Platz nehmen, es war schon Abend und frisch draußen. Der Tisch war für zwei gedeckt und aus der Küche ertönten Geräusche von jemandem, der dort zugange war. Vielleicht war Cristina am Ende doch nicht ausgezogen.
»Nun, Maresciallo, welcher gute Wind treibt Sie zu mir? Haben Sie herausgefunden, dass ich der Mörder von Elena und auch dem armen schwarzen Jungen bin? Haben Sie unwiderlegbare Beweise gegen mich und wollen mich nun in Handschellen abführen? Das würde Ihrem Gehilfen sicher gefallen, er zieht so ein düsteres Gesicht, dass mir angst und bange wird.«
Santomauro hörte deutlich, wie Gnarra mit den Zähnen knirschte. Auch er hätte dem Journalisten am liebsten in sein freches Gesicht geschlagen, allein wegen dieser absoluten Unverfrorenheit, die er, wann immer es ging, an den Tag legte. Aber von dort bis zu handfesten Beweisen, die ihn als Mörder überführten, war es ein weiter Weg, also lächelte er.
»Wir haben nur noch ein paar zusätzliche Fragen an Sie. Sagen Sie mir vor allem, warum Sie uns in Bezug auf Cristina Petroncellis Anwesenheit an den Tagen, an denen Elena Mazzoleni aller Wahrscheinlichkeit nach ermordet wurde, vorsätzlich angelogen haben.«
»Vorsätzlich angelogen! Das sind starke Worte, Maresciallo! Ich war lediglich etwas unpräzise. Was wollen Sie, es war so lange her, und wenn ich eine Frau bumse, trage ich mir das doch nicht in meinen Kalender ein.«
»Hör mal, du kleines Arschloch …« Pedro trat drohend einenSchritt näher. Halb erschrocken und halb belustigt wich Sangiacomo ein wenig zurück.
»Hey hey hey! Werde ich hier etwa gerade zum Opfer polizeilicher Gewalt? Maresciallo, erinnern Sie Ihren Mann daran, dass ich Journalist bin.«
Santomauro legte Gnarra die Hand auf den Arm. Der sah ihn kurz an, ehe er sich kopfschüttelnd in eine Ecke zurückzog. Sangiacomo atmete erleichtert auf, und der Maresciallo fuhr fort: »Wir werden zu gegebener Zeit darauf zurückkommen, aber es gibt noch etwas anderes, das mir nicht ganz klar ist. Der Artikel, den sie nach dem Mord an Elena Mazzoleni im ›Echo des Cilento‹ veröffentlicht haben, war sehr detailliert. Woher kannten sie die Einzelheiten, nachdem Sie aus mir nichts herausbekommen hatten?«
Der andere richtete sich auf.
»Ach, wissen Sie«, meinte er mit bescheidener Miene, »das ist mein Job, ich klaube hier und da Hinweise auf und stricke daraus etwas zusammen. Außerdem kannte ich Elena gut, wenn Sie verstehen.«
»Schon, aber die Details über den Zustand der Leiche, die angeblichen Verstümmelungen, die wir nicht öffentlich gemacht haben, der Haarschnitt, die Anzahl der Messerstiche, woher wussten Sie das alles? Und noch dazu zeitgleich mit uns, da Ihr Artikel letzten Dienstag erschienen ist.«
Santomauros Stimme war nicht so schneidend, wie er es sich gewünscht hätte, und Gnarra sah ihn verstohlen an. In Wirklichkeit ahnten sie schon, was Titta antworten würde.
»Lieber Santomauro, ich muss mich über Sie wundern! Amavila! Die teure Amavila, die bei mir und auch bei de Collis putzt und die
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