Eine Leiche zu Ferragosto
viele nützliche Kenntnisse erworben.
Vor der Haustür blieb sie unentschlossen stehen. In Wirklichkeit wusste sie nicht, wo sie nach Spuren einer potentiellen Geliebten suchen sollte. In der Ferne schrie eine Möwe.
Plötzlich fand sie ihre Idee dämlich, so dämlich wie sich selbst. Was wollte sie nur hier? Sie trat an das Geländer, fuhr mit der Hand darüber und blickte zerstreut auf das Meer in der Tiefe. Zwischen den Büschen sah man eine kleine Treppe, deren schattige Stufen Ruhe und Erfrischung versprachen.
Die Möwe ließ wieder ihre Stimme vernehmen, vielleicht etwas näher. Bebè hielt unsicher inne. Sie konnte bis zu dem kleinen Strand hinuntergehen oder nach Hause zurückkehren und so tun, als sei sie nie hier gewesen. Zu beidem kam sie nicht mehr.
Die Schritte hinter ihr waren fast unhörbar, aber sie wandte sich trotzdem um.
»Ach, du bist es? Hast du mich erschreckt!«, sagte sie mit einem albernen kleinen Lachen.
Alles wird gut alles wird gut. Nur warten warten nur warten. Schlafe.
Schlafe schlafe.
»Maresciallo, hier spricht Staatsanwalt Gaudioso, für den Fall, dass Sie meine Existenz vergessen haben sollten. Ich sage Ihnen nur eins: Ich habe Familie, zahlreicher denn je, und ich habe nicht die Absicht, wegen Ihnen in Schwierigkeiten zu geraten. Ich hätte nicht übel Lust, zu Ihnen runterzukommen und die Situation selbst aufzuklären, aber ich will Ihnen eine letzte Chance geben. Also, entweder Sie bekommen dieses Durcheinander schnellstens in den Griff, oder ich lasse Sie nach Lampedusaversetzen. Und glauben Sie ja nicht, dass ich das so dahinsage. Meine Frau ist die einzige und heißgeliebte Nichte eines hohen und einflussreichen Prälaten, Monsignore Guttadauro, was unter uns gesagt auch der Grund ist, weshalb ich sie trotz der fünf Mädchen noch nicht verstoßen habe. Haben Sie mich verstanden, Santomauro? Nehmen Sie jemanden fest, bevor es zu spät ist, oder Sie werden meine Reißzähne zu spüren bekommen.«
Bedächtig legte Santomauro den Hörer auf, während ihn hinterrücks ein Stimmungstief ansprang.
Gaudioso war ein lächerliches und letztlich harmloses Männlein, aber in einem hatte er recht: Es blieb nicht mehr viel Zeit, der Sommer war bald vorbei, und dann kehrten alle in die Stadt zurück. Der Maresciallo wusste genau, dass die Ermittlung ihm dann durch die Finger rieseln würde wie feiner Sand und nichts davon übrigbliebe. Dabei hatte er manchmal das Gefühl gehabt, ganz dicht dran zu sein, eine Ahnung zu haben. Eine merkwürdige Melancholie erfüllte ihn. Und einen Moment lang, nur einen kurzen Moment dachte er, dass es vielleicht wirklich besser wäre, von hier wegzugehen, nach Lampedusa, weit fort von der ganzen schlimmen Geschichte.
Gnarras Eintreten zwang ihn, seine dumpfen Grübeleien beiseitezuschieben. Der Kollege war euphorisch.
»Simone, hast du eine Minute? Hier ist ein Zeuge, den du dir unbedingt anhören musst!«
Ein Abgrund der Mutlosigkeit tat sich vor Santomauro auf, doch der fragliche Zeuge entpuppte sich als ein rechtschaffen aussehender Herr, der sich als Ingenieur Pizzolorusso vorstellte. Er hatte eine zerfledderte Zeitung in der Hand und war extra mit dem Auto aus Sapri gekommen, um sie den Carabinieri zu übergeben. Er halte es für seine Bürgerpflicht, mit dem Behörden zusammenzuarbeiten, erklärte er würdevoll, außerdem hatte der junge Mann so einen guten Eindruck gemacht … Dieser farbige Junge, der im Sand gefunden worden war, im Zug war er so höflich gewesen, und dann war er plötzlich kreidebleich geworden, als hätte er dem Tod ins Gesicht geblickt … Und so war eraus Sapri gekommen, obwohl er sich im Urlaub nur ungern ins Auto setzte, die Zeitung war ihm wieder in die Hände gefallen, als er die vertrockneten Eukalyptusblätter in seinem Garten zusammenkehrte, und da war ihm plötzlich aufgegangen, dass es ein Artikel aus seiner Lokalzeitung gewesen war, der den farbigen Mann aus seinem Sitz hatte hochfahren lassen. Wirklich ein rechtschaffener junger Mann, schloss er seufzend, es hatte ihm leidgetan, dass er ermordet worden war.
Unter den Dankesbekundungen von Gnarra und Santomauro entfernte er sich wieder, während sie die Zeitung anstarrten, die so gefaltet war, dass ein einziger Artikel zu sehen war, der von armen, verschwitzten Händen zerdrückt und mit Druckerschwärze verschmiert war. Santomauro musste ihn gar nicht erst lesen.
»Fahren wir hin und nehmen ihn fest?«, fragte Gnarra hoffnungsvoll.
»Wir
Weitere Kostenlose Bücher