Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)
redete sich in Fahrt. »Dir ist immer alles in den Schoß gefallen, während ich für alles schuften musste. In der Schule, später im Studium und auch heute noch. Meine Karriere geht den Bach herunter, während du dich auf deinem geerbten Hotel ausruhst. Du bist kein Freund.«
Simon war entsetzt. »Davon habe ich nie etwas gewusst. Warum hast du das nie gesagt, dass du so denkst. Ich hatte keine Ahnung.«
»Du hattest keine Ahnung.« Lukas lachte wieder sein trockenes, humorloses Lachen. »Natürlich hattest du keine Ahnung, woher solltest du auch. Du warst in deiner heilen Welt, in der du Kreuzworträtselwettbewerbe gewonnen hast, ohne auch nur einmal dafür zu lernen, während ich die Nächte davor gebüffelt habe und trotzdem nur Zweiter wurde.«
»Welcher Kreuzworträtselwettbewerb?«
»Du kannst dich nicht einmal daran erinnern, wie bezeichnend. Dieser Tag hat mein Leben verändert. Weißt du nicht mehr, wie aufgeregt wir an diesem Sonntagmorgen die Aula der fremden Schule betreten haben und dann die Kreuzworträtsel lösen mussten. Es hat gestunken in dem Raum, weil es dort immer reinregnete. Erinnerst du dich jetzt?«
Simon hatte nun doch eine vage Vorstellung an diesen Tag. »Wie alt waren wir da? Zehn? Zwölf?«
»Ich war elf Jahre und acht Monate alt. Ich habe vor Aufregung zwei Tage nichts gegessen, doch du hast gewonnen, locker und leicht, als hättest du nie etwas anderes gemacht. Seitdem hasse ich dich.«
Plötzlich verstand Simon. »Hast du deshalb die Kreuzworträtsel zu den Leichen gelegt?«
»Ja, habe ich. Nach diesem Wettbewerb stand es für mich fest, dass du kein Freund bist, sondern der Feind. Von diesem Tag an habe ich darauf gewartet, es dir eines Tages heimzahlen zu können. Und dieser Tag ist endlich gekommen.«
Er kam einen Schritt näher und holte dabei ein Messer hervor. Simon wich zurück.
»Lukas, mach keinen Fehler. Noch kannst du zurück.«
Lukas schüttelte den Kopf. »Nein, es gibt kein Zurück. Du unterschreibst das Testament und dann geht es schnell. Wenn du dich weigerst, wird es sehr wehtun.«
Simon wich noch einen Schritt zurück, doch weiter ging es nicht. Dahinter war die Wand. Er hielt die Taschenlampe schützend vor sich und leuchtete Lukas ins Gesicht. Doch Lukas kam immer näher. Simon versuchte, das Messer mit der Lampe abzuwehren, doch Lukas ließ sich nicht aufhalten. Wie ein Schwert aus Licht zerteilte der Lichtkegel der Taschenlampe die Dunkelheit, während das Messer durch die Luft zischte.
Schließlich waren Simon und Lukas nur noch eine Armlänge voneinander entfernt. Lukas‘ erstem Stich wich Simon aus. Das Messer traf ins Leere. Simon bewegte sich so schnell und geschmeidig wie möglich durch das Zimmer, doch Lukas folgte ihm. Das Messer hielt er zum Zustechen bereit. Als Simon am Bett hängen blieb, stieß Lukas wieder zu. Dieses Mal traf er Simon am Arm. Simon zuckte zusammen, doch dann schlug er zurück. Die Taschenlampe traf einen Knochen. Das Testament flatterte zu Boden.
Lukas wich zurück, so dass Simon über das Bett auf die andere Seite des Zimmers gelangen konnte. Hinter ihm war das Fenster. Aus dem Tal schoben sich bereits einige Feuerwerksraketen in den mitternächtlichen Himmel. Doch Simon hatte keinen Blick für die farbenfrohe Pracht. Er kämpfte um sein Leben.
Wieder wollte Lukas zustechen, wieder wich Simon aus. Irgendwie schaffte es Simon schließlich, Lukas' Hand zu fassen und ihm das Messer zu entreißen. Aber auch seine Taschenlampe ging dabei verloren. Sie rollte unter das Bett und strahlte die Staubflusen unter dem Schrank an.
Simon und Lukas kämpften jetzt Mann gegen Mann, ohne Waffen, nur mit der Kraft ihrer Körper, Lukas getrieben von Hass, Simon von Verzweiflung.
Als sie sich mit aller Wucht gegen das Fenster warfen, zerbrach das Glas und sie fielen in den Schnee. Simon konnte kurz die Oberhand gewinnen, bis Lukas ihn auf den Boden drängte und ihm mit einem gezielten Faustschlag den Atem nahm. Sie entfernten sich dabei immer mehr vom Hotel, wo im Salon die Gäste voller Spannung auf das neue Jahr warteten.
Schließlich lag Lukas auf Simon und versetzte ihm einen Schlag in den Magen. Simon rang nach Luft. Lukas nahm den Gürtel seines Skianzuges ab und legte ihn um Simons Hals. Er zog ihn zu.
Simon spürte, wie seine Lunge vergeblich nach Luft rang. Das Blut stieg ihm zu Kopf, sein Körper bäumte sich auf. Seine Sinne begannen zu schwinden. Das ist das Ende, dachte er.
Doch plötzlich hörte er neben dem ohrenbetäubenden
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