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Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Auswahlmethoden.
    Jetzt sickerte das Licht über die kleinen Strande und hob sie hell von den Hügeln und waldigen Buchten ab. Auch die Meeresobe rfläche wurde klarer; die winzigen weißen Katzenpfötchen an Steuerbord verschwanden und mischten sich bis zur Kimm mit der kupferrot aufgehenden Sonne.
    Vielleicht hat auch der wirkliche Lysander die See hier so gesehen, dachte Bolitho, damals als die Triremen und Galeeren ine inanderkrachten und der Himmel von Pfeilen verdunkelt und von Brandern durchzuckt war.
    Achtern hörte er unvermittelt das Quietschen und Rumpeln ausfahrender Geschütze: Javal machte sich fertig.
    »Drei Strich Kursänderung: Kurs genau Nord!« befahl Farquhar knapp.
    Er beugte sich über die Netze, um zu beobachten, wie eine Sandbank, ein Felsen am Heck vorbeiglitt. Kreischend stiegen ein paar Möwen von ihrem kleinen Eiland hoch, blendend weiß gegen das zurücktretende, dunkle Land. Sie umkreisten die Masten, auf Futter hoffend, lärmend, gierig. Dicht neben seinem Stander tauchte eine Möwe mit wütendem Geschrei im Sturzflug nieder. Der schlug träger, drüben das Land hielt den Wind ab. Bolitho dachte an Probyn. Hoffentlich hatte er sein Schiff rechtzeitig in Position gebracht und die Zeit eingerechnet, die ihm durch ungünstigen Wind, durch die tückische Strömung in der engen Einfahrt verlorengehen konnte. Er zog seine Uhr und konnte das Zifferblatt jetzt bereits ganz deutlich sehen, sogar die feine, schöngeschwungene Schrift
Mudge
and

Dutton

of

London.

Er ließ den Deckel zuschnappen und sah, wie Midshipman Breen bei dem scharfen Laut zusammenzuckte.
    »Gut«, sagte er, »wir sind am Vorland vorbei.«
    Outhwaite fuhr herum und hob die Sprechtrompete an den Mund: »Mr. Guthrie, geben Sie durch: Geschütze ausrennen!«
    Die Stückpforten öffneten sich quietschend; dann gab es eine kurze Pause. Jetzt sahen die Matrosen im unteren Batteriedeck das Land zum erstenmal. Eine Pfeife schrillte, das ganze Schiff erzitterte: die
Osiri
s

fuhr ihre Geschütze aus.
    »Gei auf die Fock!«
    Farquhar sah zu, wie das mächtige Segel gebändigt und aufgegeit wurde. Er schnippte mit den Fingern, und der Midshipman reichte ihm erst den Degen, dann den Hut, den er sich sorgfältig zurechtrückte. Dann schritt er nach vorn zur Luvlaufbrücke.
    Die Fock hatte sich tatsächlich wie ein Vorhang gehoben: die Szenerie war aufgebaut, die Schauspieler standen bereit.
    Bolitho zog den Degen und legte ihn vor sich auf die Reling. Glatt und kühl fühlte der Stahl sich unter seiner Handfläche an.
    »Hißt die Flagge!«
    Er hörte den Block quietschen und sah den großen Schatten der Flagge über der Laufbrücke und die leichte Bugwelle gleiten.
    »Jetzt klar zum Feuern, Jungs; und daß mir jede Kugel trifft!«
    Er warf einen raschen Blick auf das nächste Geschütz: so sahen alle Geschützbedienungen in der ganzen Flotte aus. Ein Matrose, direkt unterhalb des Achterdecks bei einem Sechzehnpfünder stehend, stützte sich auf seinen Rammstock, das Halstuch um die Ohren gewickelt, damit ihm das Krachen des Schusses nicht die Trommelfelle zerriß. Männer wie dieser waren mit Drake auf seiner
Reveng
e

gesegelt und hatten Hurra gerufen, als die Armada ›aus dem Kanal getrommelt‹ wurde. Aber diesmal gab es kein Hurrageschrei, nicht einmal einen einzigen Ruf. Grimmig schauten die Männer durch die offenen Stückpforten oder standen so dicht beieinander, als wollten sie sich gegenseitig stützen. Farquhars Finger schlossen und öffneten sich nervös um seinen Degengriff, mit hocherhobenem Haupt starrte er auf die dunstige Küstenlinie, von der das feindliche Feuer kommen würde.
    Auf dem Kamm des nächstgelegenen Hügels blinkte etwas auf, doch nur dieses eine Mal. Eine zerbrochene Flasche, die den ersten Strahl der Morgensonne reflektierte? Oder ein Lichtstrahl auf der Linse eines Teleskops? Bolitho stellte sich vor, wie das Signal über die Berge an die wartende Artillerie weitergegeben wurde:
Die
Englände
r

kommen
.

Wie erwartet und vorausbedacht. Grimmig zog er die Brauen zusammen. Was auch kommen würde, sie mußten die Aufmerksamkeit des Feindes so lange auf sich ziehen, bis Probyn sich von der nördlichen Einfahrt her auf die ankernden Schiffe stürzen konnte. Ein paar schwere Breitseiten in die volle Reede, und ihre Chancen würden sich beträchtlich bessern.
    Plötzlich fiel Bolitho wieder ein, was ihm sein Vater einst gesagt hatte: Überraschungsangriffe gibt es nicht. Überraschung liegt nur dann vor,

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