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Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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seinen Fieberanfall hatte er an Gewicht verloren. »Aber das war selbstverständlich damals ein respektabler Beruf.«
    Er wandte sich um, denn eben eilte Farquhar vorbei. »Haben Sie zusätzlich Leute für die Pumpen und Eimer eingeteilt?«
    »Jawohl, Sir.« Farquhar fuhr sich mit dem Finger in die Halsbinde. »Auf glühende Kugeln bin ich vorbereitet.« Er musterte die Schutznetze über dem Hauptdeck, die schlafferen vor den Wanten, die Enterer aufhalten sollten. Die Posten an jedem Luk, die Leute des Bootsmanns, deren Aufgabe es war, gebrochene Spieren zu kappen oder die Toten von einer umgestürzten Kanone wegzuräumen.
    Bolitho beobachtete, wie Farquhar jede Einzelheit an Bord seines Schiffes auf Fehler oder Schwachstellen überprüfte. Unter ihren Füßen, unter dem menschenwimmelnden Geschützdeck, warteten schußbereit die Zweiunddreißigpfünder der Zwischendecksbatterie. Unter diesen jedoch standen, im Lichtkreis der Laternen wie Kirchhofsgespenster anzusehen, der Schiffsarzt und seine Helfer neben dem noch leeren Tisch, den blinkenden Messern und Sägen. Bolitho dachte wieder an Luces todbleiches Gesicht, sein Flehen, seinen wilden Aufschrei. Er sah zu Pascoe hinüber, der an der Leeseite bei den Großwanten stand, im Gespräch mit einem Unteroffizier und einem Midshipman. Ob er wohl auch an Luce gedacht hatte?
    Achtern, auf der Kampanje, wartete das Gros der MarineInfanteristen in drei Linien bei den Netzen; wenn die
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mit der Backbordseite angriff, würden sie in drei Gliedern feuern, wie Landsoldaten im Karree.
    Bolitho versuchte, bekannte Gesichter herauszufinden, aber solche gab es für ihn kaum. Anonym waren sie, doch vertraut. Typen, doch keine Individuen. Seesoldaten und Matrosen, Leutnants und Midshipmen. Leute wie sie hatte er auf einem Dutzend Schiffen und in ebenso vielen Geschwadern gesehen.
    Das silberne Achselstück eines Leutnants der Marine-Infanterie glühte plötzlich auf, wie von innen erleuchtet. Bolitho wandte den Kopf nach Steuerbord und sah den Rand der Sonne über die Kimm steigen; die Strahlen flossen über das leichtgekräuselte Wasser auf ihn zu wie geschmolzenes Metall.
    »Wird ein schöner Tag«, bemerkte Allday.
    Leutnant Outhwaite stand am Hauptniedergang. Auch erstarrte in die aufgehende Sonne, und seine Augen glitzerten wie kleine Quarzsteine. Wie sein Kommandant war er tadellos gekleidet; sein Hut saß genau vorschriftsmäßig, das lange, im Nacken zusammengebundene Haar hing den Rücken hinunter.
    Farquhar trug seinen Hut noch nicht; ein Midshipman stand mit Hut und Degen in der Hand neben ihm wie der Garderobier eines Schauspielers vor dessen allerschwierigstem Auftritt. Bolitho konnte erkennen, daß Farquhar tatsächlich die Lippen bewegte. Sprach er mit sich selbst oder probte er eine Rede an seine Männer? Sein weißblondes Haar hatte er im Nacken mit einem eleganten schwarzen Schleifchen gebunden. Was in den nächsten Stunden auch geschehen würde – Farquhar war gut angezogen.
    Er schien Bolithos forschenden Blick zu spüren und wandte sich zu ihm um. »Eine neue Garnitur, Sir«, erläuterte er mit zögerndem Lächeln. »Ich dachte daran, wie Sie es vor einem wichtigen Gefecht zu halten pflegten – und da Ihre Garderobe nicht verfügbar ist, meinte ich, es wäre an mir, das Repräsentieren zu übernehmen.«
    »Sehr freundlich von Ihnen«, erwiderte Bolitho und blickte wi eder auf die größer gewordene Landmasse, die beinahe schon den Bugspriet zu berühren schien.
    »Der Feind wird das Feuer erst eröffnen, wenn er ein sicheres Ziel hat. Seine Kanoniere haben die Sonne direkt in den Augen; aber wenn wir erst einmal vor der Ostküste segeln, wird uns das nicht viel nützen. Hinter der Bucht liegt, glaube ich, eine kleine Senke. Eine gute Stellung für weitreichende Artillerie.«
    Angestrengt spähte er über den Bug; da sang jemand aus: »Br echer an Backbord voraus!«
    »Das wird das verdammte Riff sein, Sir«, sagte der Master gepreßt.
    »Fallen Sie einen Strich ab, Mr. Bevan. Steuern Sie Nordost zu Nord.« Farquhar blickte seinen Ersten Offizier an. »Haben Sie einen guten Lotgasten in den Rüsten?«
    »Aye, Sir«, bestätigte der mit einem fragenden Ausdruck auf seinem Froschgesicht. »Ich habe ihm selbst noch mal klargemacht, wie wichtig seine Aufgabe ist.«
    Zu seiner Überraschung konnte Bolitho trotz der nagenden Ungewißheit des Wartens lächeln. Farquhar und Outhwaite paßten gut zueinander. Also hatte Farquhar vielleicht doch recht mit seinen

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