Eine letzte Breitseite
es im Kampf erlitten hatte, ohne Gilchrist überhaupt durchgekommen wäre.
Lächelnd sah Bolitho auf, als Herrick hereinkam. »Setzen Sie sich, Thomas, und trinken Sie ein Glas Wein.«
Herrick nahm Platz und wartete, bis Ozzard ihm einen Becher gebracht hatte.
»Ich bin bei meinem Bericht«, sagte Bolitho. »Sobald das Wetter besser wird, soll Fitz-Clarence nach Syrakus und dann nach Gibraltar segeln. Meinen Sie, daß er das schafft?«
Herrick grinste über seinem Glas. »Der findet den Weg schon, Sir.« Er verzog das Gesicht, denn eben klatschte ein Guß Spritzwasser gegen die Fensterscheiben. »Aber das kann noch eine Weile dauern. Gott sei Dank, daß wir diese kleine Insel gefunden haben. Major Leroux hat Patrouillen an Land geschickt und sie anscheinend unbewohnt gefunden. Hier haben wir wenigstens Schutz, bis Gilchrist und Javal mit ihren Reparaturen ein Stück weiter sind.« Bolitho sah auf seinen dicken Bericht hinunter. »Mr. Gilchrist macht sich sehr gut, Thomas.« Versonnen blickte er in der Kajüte umher; ihm war, als sähe er allerlei Gesichter. »Ich habe empfohlen, ihm bei erster Gelegenheit ein eigenes Schiff zu geben. Eine Brigg am besten, da lernt er die menschlichere Seite eines Kommandos kennen: ein kleines Schiff, auf dem es sehr viel zu tun gibt!«
»Danke, Sir, das freut mich. Ich weiß, Sie konnten ihn nicht ausstehen, und das war mir sehr unangenehm. Aber er hatte schwer zu klettern, bis er da war, wo er jetzt ist, und seine Zähigkeit imponiert mir.«
»Gewiß.«
Bolitho dachte an die Briefe, die er für den Depeschenbeutel geschrieben hatte. An Farquhars verwitwete Mutter und an andere, die in absehbarer Zeit erfahren würden, daß ein Ehemann oder Vater nicht mehr heimkehren würde.
Nach kurzem Schweigen sagte Herrick: »Mr. Grubb fürchtet, daß der Wind noch tagelang so ungünstig bleibt, vielleicht noch Wochen. Wir liegen aber hier ganz gemütlich, und da dachte ich, Sie wollten vielleicht jetzt die andere Angelegenheit erledigen.«
»Sie tun recht daran, mich zu erinnern«, erwiderte Bolitho. Vielleicht hatte er es bloß vor sich hergeschoben, weil er die Konfrontation scheute. »Captain Probyn soll morgen an Bord kommen, wenn wir nicht gerade Sturm haben.«
Herrick war offensichtlich erleichtert. »Ich habe seinen Bericht gelesen, Sir: in einer auf der Karte schlecht ausgezeichneten Durchfahrt ist er auf Grund gelaufen. Als ich die
Nicato
r
erreichte, saß sie auf einer Sandbank. Nicht schlimm, aber wir mußten immerhin einen Warpanker verwenden.«
Bolitho stand auf und ging zu seinem Weinschrank. Wieder und wieder hatte er über Herricks unvermutetes und entscheidendes Auftauchen in der Schlacht nachgedacht. Mit Hilfe des Logbuches der
Lysander
,
den ausführlichen Erläuterungen des Masters und den Einzelheiten, die er aus Herrick herausholen konnte, hatte er sich ein Bild von den Bewegungen des Schiffes gemacht, seit es Syrakus verlassen hatte. Herrick war, von dieser seltsamen inneren Verbundenheit getrieben, nicht direkt nach Korfu gesegelt, sondern viel weiter südlich auf die afrikanische Küste zu. Dann nach Osten, immer weiter nach Osten auf der Suche nach einem Schiff, oder, besser noch, nach einer Flotte. Wenn er sich daran erinnerte, wie verzweifelt Herrick vorher gewesen war, wie unfähig, den Posten eines Flaggkapitäns auszufüllen, kam ihm das Ganze noch unglaublicher vor.
In diesen vielen endlosen Meilen, bis er schließlich Alexandria und die Bucht von Abukir gesichtet hatte, an der entlang er bis zum Mündung des mächtigen Nil gekommen war, mußte er ein ganz anderer Mensch geworden sein.
Bolitho hatte ihm seine Anerkennung ausgesprochen, weil er mit einer so unbeugsamen Entschlossenheit, mit einem so unerschütterlichen Glauben an die Richtigkeit der Schlußfolgerungen Bolithos losgesegelt war. Darauf hatte Herrick nur erwidert: »Sie hatten mich überzeugt, Sir. Und als ich das den Leuten sagte, waren sie bereit, zu segeln, wohin ich wollte.« Er war etwas verlegen geworden, als Major Leroux einmal äußerte: »Captain Herrick hat vor der ganzen Besatzung eine Ansprache gehalten, bei der Ihnen die Ohren geklungen haben müssen, wo Sie auch waren!«
Da von der französischen Flotte nichts zu sehen war, hatte sich Herrick schließlich entschlossen, Kurs auf Korfu zu nehmen. Übe rzeugt davon, daß dort die Versorgungsschiffe warteten, das britische Geschwader aber noch immer in Syrakus vor Anker lag, war er direkt in Bolithos Angriff hineingesegelt.
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