Eine letzte Breitseite
Wie damals, als wir die zwei Prisen nahmen! Ich wurde Prisenkommandant auf der ersten. Ein verfaulter, wurmzerfressener, uralter Kasten war das! Ich hatte darum nicht die geringste Chance, als der Feind mich verfolgte. Das war Absicht, um mich loszuwe rden!« Er schielte vor Wut, der Schweiß rann ihm über Gesicht und Hals.
»Sie waren der Dienstältere. Die Prise stand Ihnen zu. Und wie war das mit einer, die wir kurz vorher nahmen? Dem kleinen Schoner? Die sollten eigentlich Sie nach New York segeln, aber statt Ihrer mußte sie ein Steuermannsmaat übernehmen!«
Ziellos irrten Probyns Augen in der Kajüte herum, wie auf der Suche nach einer Antwort – daran merkte Bolitho, daß seine Worte gesessen hatten. »Betrunken waren Sie, als Sie aufliefen!« sagte er schroff.
»Gebe
n
Si
e
e
s
zu
,
Mann!«
Sehr langsam setzte sich Probyn wieder hin. Seine Hände zitterten auf den Armlehnen. »Ich gebe gar nichts zu, Sir!« Mit roten, haßerfüllten Augen sah er hoch.
»So haben Sie mir also nichts weiter über das Auflaufen der
N
i
cator
zu sagen?«
Diese Frage brachte Probyn anscheinend einen Moment aus der Fassung. Dann erwiderte er: »Ich habe einen vollständigen und wahrheitsgetreuen Bericht abgegeben.« Er verbarg die Hände unter der Tischplatte. »Und ich habe von denen, die auf Wache waren und damit zu tun hatten, beeidigte Aussagen zu Protokoll genommen.« Er beugte sich vor und legte sein Säufergesicht in verschmitzte Falten. »Und falls es zu einer kriegsgerichtlichen Untersuchung kommt, werde ich diese Aussagen geltend machen. Eine davon könnte, nebenbei bemerkt, den Offizier der Wache, den Neffen eines Admirals, schwer belasten. Vielleicht könnte auch jemand denken, Sie wären nicht unvoreingenommen, Sir, und würden alte Rechnungen dadurch begleichen, daß Sie me inen guten Ruf beschmutzen.«
Erschrocken lehnte er sich zurück, denn Bolitho stand auf, und seine Augen blitzten vor Verachtung. »Schachern Sie gefälligst nicht mit mir! Vorige Woche haben wir einen Schlag gegen den Feind geführt, aber die Verluste, die wi r hatten, waren sehr schwer.
Wäre
Lysander
nicht erschienen, und hätte
Buzzard
nicht eingegriffen, dann wäre Ihr Schiff heute das einzige, das noch schwimmt! Wenn Sie das nächste Mal von Voreingenommenheit oder von Ehre reden, dann denken Sie
dara
n
!«
Er rief nach Ozzard. Dann fuhr er fort: »Sie können sich jetzt wieder auf Ihr Schiff begeben. Aber vergessen Sie nicht: was nicht zu beweisen ist, steht dennoch zwischen uns. Das Geschwader ist personell unterbesetzt, die meisten Offiziere sind jung und unerfahren. Nur aus diesem Grunde sehe ich vorerst von einer offiziellen Untersuchung Ihres Falles ab.«
Herrick erschien mit Ozzard an der Tür, blieb jedoch stehen, denn Bolitho sprach noch weiter. »Aber hören Sie gut zu, Captain Probyn: Falls ich jemals herausbe komme, daß Sie uns absichtlich nicht zur Hilfe gekommen sind, oder wenn Sie in Zukunft jemals gegen die Interessen dieses Geschwaders handeln, will ich Sie dafür hängen sehen!«
Probyn riß Ozzard seinen Hut aus der Hand und stolperte aus der Kajüte. Als Herrick zurückkam, stand Bolitho immer noch da wie vorher und starrte mit Ekel auf Probyns leeren Stuhl.
»Da haben Sie mich einmal von einer häßlichen Seite gesehen, Thomas«, sagte er. »Aber bei Gott, es war mein Ernst, jedes Wort.«
Sturmwolken
Es dauerte beinahe zwei Wochen, bis Bolitho das Signal
Anker
lichten
hissen und das schützende Eiland verlassen konnte. Selbst dann gab es noch schwere Sturmböen, und bald stellte sich heraus, daß Javals Havarie schwerer war als gedacht. Pausenlos arbeiteten seine Männer auf jeder Wache an den Pumpen, und bei den begrenzten Reserven an Bord brauchte er seinen ganzen Vorrat an Ersatzplanken und Leinwand, um die schwersten Lecks abzudichten.
Nach der wilden Schlacht, dem Hochgefühl beim Anblick der
Lysander
,
die ihren Bug durch Pulverqualm und Sprühwasser stieß, war dieses schlechte Wetter, bei dem man trotz größter Anstrengung nur langsam vorankam, um so deprimierender. Die Schiffe gerieten aus der Formation und mußten auf verschiedenen Kursen kreuzen, um überhaupt vorwärtszukommen, wobei sie einen starken Südwestwind gegen sich hatten, und Bolitho mußte noch dankbar sein, daß kein feindliches Geschwader ihren Weg kreuzte. Seine Mannschaften waren von dem ständigen schweren Dienst erschöpft, jedes Schiff war wegen der Toten und Verwundeten unterbesetzt, so hätte er es mit keinem
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