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Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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sei, sich mit dem Kommodore zu unterhalten, sagte dann aber doch: »Hab noch unter Ihrem Vater gedient, Sir, auf der alten
Scylla.«
    Bolitho starrte ihn an. Ob Mariot ihm das jemals erzählt hätte, wäre er an einem anderen Geschütz gewesen, irgendwo im Schiff? Er fragte: »Wart Ihr auch dabei, als er den Arm verlor?«
    Mariot nickte; seine ausgeblaßten Augen sahen in die Ferne.
    »Aye, Sir. War ein feiner Mann, hab nie unter einem besseren gedient.« Er grinste verlegen. »Außer Ihnen, Sir.«
    Mit fragendem Blick trat Herrick heran.
    »Der Mann hat schon unter meinem Vater gedient, Thomas«, sagte Bolitho und schaute mit beschatteten Augen nach dem Feind aus. »Was die Kriegsmarine doch für eine kleine Welt ist!«
    Herrick nickte. »Wie alt seid Ihr?« fragte er Mariot.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Weiß nich’ genau, Sir.« Er strich über das Bodenstück der Kanone. »Aber noch jung genug für die kleine Lady hier!«
    Langsam schritt Bolitho auf und ab, ohne auf die frohen Rufe zu hören, mit denen das erste Bier begrüßt wurde. Alles in einer Mannschaft: Hier ein Mann, der mit seinem Vater in Indien gewesen war. Dort Allday, sein vertrauter Bootsführer und Freund, den ihm ein Preßkommando vor langer Zeit an Bord gebracht hatte.
    Herrick, einst junger Leutnant unter ihm; und Adam Pascoe, der einzige Sohn seines Bruders, vielleicht als Bindeglied zwischen ihnen allen.
    Herrick unterbrach seine Grübeleien. »Der Feind mag ja schlecht segeln, Sir, aber mir war’s doch lieber, wir hätten ein bißchen Unterstützung. Und wenn’s nur eine Fregatte wäre, die sie in ihre verdammten Ärsche beißt.«
    Bolitho blieb an den Netzen stehen und merkte erst jetzt, daß er schweißgebadet war. »Lysander hat vierhundert Jahre vor der Geburt unseres Herrn die Flotte der Athener bekämpft und geschlagen, wenn ich meinem alten Lehrer glauben will.« Er lächelte Herrick an. »Er wird uns bestimmt heute nicht im Stich lassen.« Etwas leiser fuhr er fort: »Nehmen Sie sich zusammen, Thomas, die Leute beobachten Sie. Ein Zeichen von Skepsis, und wir könnten verloren sein.«
    Herrick nahm die Hände auf den Rücken und drückte das Kinn an die Halsbinde. »Aye. Entschuldigen Sie. Seltsam, daß man sich niemals an das gewöhnt, wofür man sein Leben lang ausgebildet wurde: an den Anblick eines feindlichen Segels, das Krachen einer Breitseite, an das Weiterkämpfen, bis der Feind die Flagge streicht oder man selbst untergeht.« Dann wurde sein Ton so bitter, wie Bolitho es noch nicht an ihm kannte: »Diese feinen Leute in England, die schon vor Rührung heulen, wenn sie nur zusehen, wie ein Schiff des Königs in See geht, haben keinen Gedanken übrig für die armen Teufel vor dem Mast, die krepieren, damit sie daheim ruhig schlafen und sich den Bauch vollschlagen können!«
    Bolitho hörte ihm unbewegt zu. Jetzt kam der alte Herrick wieder zum Vorschein: stets bereit, sich für den kleinen Mann einzusetzen, ganz egal, wie sehr das seine Vorgesetzten ärgern mochte. Das war wohl auch der Grund, weswegen er im Dienstrang noch nicht viel über dem Fregattenkapitän stand.
    »Und Ihre Schwester, Thomas«, fragte er, »wie geht es ihr?« Herrick riß sich zusammen. »Emily?« Er sah zur Seite. »Unsere Mutter fehlt ihr zweifellos sehr, wenn sie auch zum Schluß allerhand Pflege gebraucht hat.«
    Bolitho nickte. »Halten Sie Emily ein Mädchen, das sich um sie kümmert, während Sie auf See sind?«
    Herrick wandte sich zu ihm um; er hatte jetzt die Sonne direkt in den Augen. »Wollen Sie auf Mr. Gilchrist zu sprechen kommen, wenn ich fragen darf, Sir?«
    »Ich habe davon gehört, Thomas.« Herricks Ton überraschte ihn. Daß er sofort in die Defensive ging… Herricks Augen sahen in der stechenden Sonne beinahe farblos aus. »Emily ist recht angetan von ihm. Er ist ein verläßlicher Offizier. Manchmal allerdings geht sein Temperament mit ihm durch.« Er senkte den Kopf. »Und was er erreichte, hat er verdient, Sir.«
    »Wie Sie, Thomas.«
    »Gewiß.« Er seufzte. »Emilys Wünsche bedeuten mir viel. Sie hat weiß Gott wenig genug auf dieser Welt.«
    »An Deck!« meldete sich der Ausguck. »Vorderstes Schiff setzt mehr Segel!«
    Herrick griff sich ein Teleskop und eilte an die Reling. »Hol’ sie der Teufel! Die wollen unsere Feuerkraft zweiteilen!«
    Bolitho beobachtete ihn und spürte, daß er einerseits fieberhaft darüber nachdachte, wie er sein Schiff in die günstigste Position bringen konnte, andererseits aber noch

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