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Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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hoch am Wind zum Flaggschiff zurück. Jetzt mußte sich der Feind bald zeigen.
    Bolitho überlegte. Dies wurde sein erstes Seegefecht seit einem Jahr. Er beobachtete den Dunst um die Masten der
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und dachte an frühere Schlachten. Warum hatte er eigentlich mehr Segel setzen lassen? Um die Entscheidung zu beschleunigen, ob sich seine eigene Stärke oder Schwäche erweisen würde?
    Unter Deck wurden die Trennwände herausgenommen, geräuschvoll wurden Geschütze und Luken klariert. Seit seinem zwölften Jahr gehörte das zu Bolithos Leben, war er stets mittendarin gewesen, hatte er alles mitgemacht, was ein Seegefecht an Erregung und Gefahr brachte.
    Er musterte die Männer, die auf dem Hauptbatteriedeck an ihren Kanonen hantierten, die Marine-Infanteristen, die im Gleichschritt wie bei der Parade zu beiden Seiten der Kampanje aufmarschierten. Jetzt mußte er sich als der Kommodore erweisen. Er lächelte grimmig.
    Ein Kommodore ohne Geschwader.

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    »Schiff klar zum Gefecht, Sir.« Gilchrists Miene war undurchdringlich. »In neun Minuten genau.«
    Bolitho hörte nicht, was Herrick darauf antwortete. Gelassen schritt er zur Luvseite. Das mächtige Großsegel war aufgegeit, jedes sichtbare Geschütz bemannt und ladefertig. Eine drohende, gespannte Atmosphäre lag über dem Schiff.
    Herrick trat zu ihm und faßte an den Hut. »Abgesehen von sieben Kranken beziehungsweise Verletzten ist die Mannschaft vollzählig auf Stationen, Sir. Soll ich Befehl zum Laden und Ausrennen geben?«
    »Später.« Bolitho nahm ein Teleskop vom Gestell und richtete es nach Backbord voraus. In der prallen Sonne glitzerte die See so stark, daß es in die Augen biß: wie Millionen kleiner Spiegel, mehr silbern als blau. Er richtete sich starr auf: zuerst glitt ein Schiff, dann das zweite durch die Linse.
    Herrick sah ihn immer noch so forschend an, als suche er etwas in Bolithos Miene. Vielleicht ihrer aller Schicksal.
    »Vierundsiebziger, schätzungsweise«, sagte Bolitho. »Bei diesem Wind müssen sie sich schwertun.« Er richtete das Glas auf das vorderste Schiff. Es drehte jetzt etwas ab und zeigte seine ganze Länge, die doppelte Linie der Stückpforten. Die Segel standen noch nicht richtig und warfen wandernde Schatten. Der Steuermann gab sich anscheinend die größte Mühe, die Segel voll Wind zu halten, bis er den Kurswechsel beendet hatte.
    »Sie segelt sich schlecht, Thomas«, sagte er. Er biß sich auf die Lippe und versuchte sich vorzustellen, wie der Feind seine
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sehen mochte. Es würde noch eine Stunde dauern, bis sie aneinandergerieten. Um gegen zwei starke Vierundsiebziger eine Chance zu haben, mußte er den Windvorteil behalten, mindestens bis er den einen voll unter Feuer nehmen oder zwischen beiden durchstoßen konnte. »Zu lange im Hafen gewesen, vielleicht. Genau wi e wir brauchen sie allen Drill, den sie kriegen können«, schloß er nachdenklich. Dann beobachtete er, wie die schlanke
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auf konvergierendem Kurs vor ihrem Bug vorbeizog; ihre Offiziere standen schräg auf dem kleinen, stark geneigten Achterdeck. Bolitho glaubte, Inch zu sehen, der den Hut schwenkte, doch vergaß er ihn, als Luces Leute der
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signalisierten, ihre Station einzunehmen – als bloßer Zuschauer oder – schlimmstenfalls – als Überlebender, der dem Admiral oder Farquhar die Nachricht überbringen konnte. Bolitho trat zur Querreling und überschaute das Hauptdeck. Jetzt kam das schlimmste: das Warten. Schade, daß nur die Hälfte der Mannschaft Zeit zum Essen gehabt hatte, ehe sie gefechtsklar gemacht hatten. »Haben wir noch Bier, Thomas?« fragte er. Herrick nickte. »Ich glaube, ja. Bloß wird der Zahlmeister es jetzt nicht gern ausgeben wollen.«
    »Nun –
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kämpft ja nicht.« Bolitho sah, wie sich die Geschützbedienungen in der Nähe über diese Bemerkung amüsierten. Er wandte sich ab. Es war ein wo hlfeiler Trick zur Hebung der Kampfmoral, aber mehr hatte er nicht zu bieten.
    Wieder überquerte er das Achterdeck und stützte den Fuß auf einen Neunpfünder. Der Geschützführer blickte zu ihm auf und tippte grüßend mit dem Handknöchel an die Stirn. Bolitho lächelte ihm zu. Der Mann war schon älter oder sah wenigstens so aus. Seine harten Hände waren teerfleckig, die Arme mit blauen, komplizierten Tätowierungen bedeckt.
    »Und wie heißt Ihr?« fragte er.
    Der Mann zeigte seine unregelmäßigen Zähne. »Mariot, Sir.« Er zögerte, zweifelnd, ob es angebracht

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