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Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Achtzehnpfünder, aus seinen Zurrings gerissen, sauste über das schräge Deck und zog, als er durch die zerfetzten Leiber der Bedienungsmannschaft rutschte, breite Blutbahnen nach sich.
    Harry Yeo, der Bootsmann, wies brüllend seine Leute an, das Geschütz wieder unter Kontrolle zu bringen, und schwang dabei sein Enterbeil wie ein Wilder im Urwald.
    »Wir rammen sie!« sagte Bolitho zu Herrick und rief dann Gilchrist zu: »Marssegel weg! Wir müssen klarkommen, ehe sich der andere Franzose erholt!« Eine Musketenkugel zischte an seinem Kopf vorbei.
    Herrick nickte krampfhaft. »Mr. Gilchrist! Befehl weitergeben: Enterkommando abwehren!«
    Wieder hörte Bolitho Schreie, und dazwischen Leroux’ Stimme: »Holt die Scharfschützen endlich aus den Topps!«
    Eindringlich erwiderte Bolitho: »Nein, Thomas!
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müsse
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entern! Sonst hauen sie uns in Stücke!«
    Er hielt sich an der Reling fest. Mit schmetterndem Krachen rammte de r Klüverbaum der
Lysande
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den Bug des Feindes. Der Anprall verstrickte beide Schiffe immer tiefer ineinander; die Kanonen schwiegen, der schärfere Knall des Musketen dominierte jetzt.
    Bolitho zog den Degen. »Daß mir das Schiff wieder klarkommt, Thomas!« Er wollte Herricks Zuversicht stärken, denn er sah die Unsicherheit auf dessen pulververschmierten Zügen, die sich in Angst verwandelte, als er rief: »Lassen Sie jemand anderen rübergehen, Sir!« rief er.
    Drüben ertönte mächtiges Gebrüll und Geschrei, und schon versuchten französische Matrosen, durch das baumelnde Gewirr auf die
Lysander

zu springen.
    »Keine Zeit«, sagte Bolitho kurz, rannte den Steuerbord-Laufgang hinunter und suchte sich aus den einzelnen Geschützbedienungen eine Anzahl Männer zusammen.
    Auf dem Vorderkastell lagen bereits zehn oder fünfzehn Tote, Franzosen wie Briten. Entermesser klirrten, aus den Wanten und Rüsten beider Schiffe schossen die Scharfschützen Störfeuer in das Chaos.
    »Die Karronade!« brüllte Bolitho.
    Er stieß einen Verwundeten beiseite und hieb einem französischen Unteroffizier in den Hals; er fühlte den Aufprall vom Unterarm bis in seine alte Schulterwunde hinauf, die wie Feuer brannte.
    Ein wildäugiger Seesoldat schien begriffen zu haben, was der Kommodore wollte, und warf sich in die Züge der Karronade; Midschipman Luce und ein paar Matrosen eilten ihm zu Hilfe.
    »Feuer!«
    Der Abschuß der Karronade warf die meisten Enterer zurück. Als sie auf ihrem eigenen Schiff die blutigen Überreste derer sahen, die ihnen folgen sollten, entschlossen sie sich zum Rückzug.
    »Entert sie, Jungs!« schrie Bolitho, schwang seinen Degen, spürte, daß eine Pistolenkugel ihm den Dreispitz vom Kopf riß, und sprang, halb fallend, auf das schwer angeschlagene Vorschiff des Feindes. Als er sich umwandte, um zu sehen, wie viele seiner Männer ihm folgten, starrte er in die grimmigen Augen der riesigen Galionsfigur der
Lysander
;

er fühlte wieder jenes irre Grinsen auf seinen Lippen, die unbeherrschbare Wildheit, die ihn zwang, durch zerbrochene Niedergangsleitern, zersplitterte Spieren, Toten mit klaffenden Wunden, das Gewirr des herabgefallenen Riggs immer weiter vorzustürmen.
    Klirrend wogte der Kampf Mann gegen Mann; unter Flüchen, Zähneblecken, Angst und Wut hieben sie sich den Weg über das Vorderkastell frei.
    Aus dem Augenwinkel sah Bolitho sein Flaggschiff, das sich unbeirrt aus dem Gewirr der zerrissenen Wanten des Feindes löste, das rauchgeschwärzte Scharlachrot von Leroux’ MarineInfanteristen, deren mörderisches Feuer nicht abriß.
    An der Richtung des abziehenden Rauches erkannte er, daß beide Schiffe jetzt vor dem Wind lagen. In dem Streifen dunklen Wassers zwischen den Rümpfen schwammen Wrackteile und ein paar Tote.
    Sonne stach durch den Rauch; der Streifen Wasser verbreiterte sich. Herrick hatte es geschafft, den ungefügen Rumpf der
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der

so zu drehen, daß sie jetzt mit Hilfe der Segel und des Ruders freikommen konnte.
    Ein Mann, die erhobene Pistole auf seine Brust gerichtet, stürzte auf Bolitho zu. Deutlich erfaßte Bolitho in diesem Sekundenbruchteil das Bild des unbekannten Franzosen: Er hatte ein hageres, tiefbrünettes Gesicht und entblößte die Zähne in wütender Konzentration. Er war außer Reichweite von Bolithos Degen, dessen Arm auch schon so lahm war, daß er ihn kaum noch hochbrachte.
    Da blitzte ein schwerer Entersäbel vor seinen Augen – so schnell, daß er wie ein Silberbogen in dem dunstigen Sonnenlicht wirkte. Der Franzose schrie

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