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Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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arbe iteten, bis es dunkel wurde, damit das Schiff für den Notfall wieder kampfbereit war.
    Noch einmal vergegenwärtigte er sich die Karte, die er vor seinem frugalen Frühstück studiert hatte. Sie waren gezwungen, sehr langsam zu segeln. Zerfetzte Leinwand mußte von den Rahen genommen und geflickt oder ersetzt werden. Der Klüverbaum mußte nach der Kollision mit dem französischen Vierundsiebziger fast ganz neugetakelt werden; Bolitho war durchaus mit Herrick einverstanden, der in seinem Bericht den Schiffszimmermann Tuke wegen Fleißes und sauberer Arbeit gelobt hatte.
    Mit Recht hatte Herrick auch über Leutnant Veitch sehr Günstiges geschrieben. Der Dritte Offizier hatte während des ganzen Gefechts die Batterien befehligt; und darüber hinaus hatte er selbständig, ohne um Rat oder Erlaubnis zu fragen, seine Geschütze doppelt laden lassen, um den Karronadenbeschuß zu unterstützen. Doppelte Ladung war schon unter besten Bedingungen und mit erfahrenen Mannschaften eine riskante Sache. Und doch hatte Veitch einen genügend klaren Kopf bewahrt, um die richtigen Männer aus den gerade nicht beschäftigten Geschützbedienungen herauszusuchen. Auch Midshipman Luce, Bootsmann Yeo und Major Leroux waren, Bolithos Zustimmung vorausgesetzt, im Bericht des Kommandanten lobend erwähnt worden. Jedoch die Kehrseite der Medaille: Dreizehn Mann der
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waren in der Schlacht gefallen oder später an ihren Verletzungen gestorben. Der Schiffsarzt hatte noch fünf gemeldet, die jeden Moment sterben konnten, und zehn andere, die mit einigem Glück wieder dienstfähig werden würden.
    Die Verluste des Feindes waren vermutlich weit höher; dazu kam noch die Blamage, von einem einzelnen Schiff in die Flucht geschlagen worden zu sein. Doch wo es sich um Menschen handelte, war das ein geringer Trost. Man mußte noch Wochen, vielleicht noch Monate, ohne Ersatz auskommen. Muskeln und Knochen waren wesentlicher als Hanf und Eichenholz; die Menschen selber waren für das Schiff schlechthin lebenswichtig.
    Bolitho versuchte, nicht an seinen eigenen Bericht zu denken, der noch unvollendet neben Moffitts knochigem Ellbogen lag.
    »Fahren wir fort, Sir?« fragte der Schreiber. Seine Stimme war wie der ganze Mann dünn und kratzig. Laut Musterrolle war er achtunddreißig, doch sah er eher wie sechzig aus.
    Bolitho musterte ihn nachdenklich. »Wie weit sind wir?«
    Die Feder glitt übers Papier: »Während der ganzen Aktion war das Schiff ständig unter Kontrolle, und nur als es im Rigg des zwe iten französischen Schiffes verstrickt war, ist es etwas abgetrieben.« Die gläsernen Augen hoben sich. »Sir?«
    Bolitho stand auf und ging zur Heckgalerie, die Hände auf dem Rücken. Er konnte Herricks Gesicht nicht aus seinen Gedanken verdrängen, wie es während des Gefechts, in dem Moment, als die Kollision sich als unvermeidlich erwies, ausgesehen hatte. Das war der entscheidende Augenblick gewesen. Es war stärker als der Kanonendonner, die furchtbaren Schreie, das zuckende Scharlachrot beim Ruder: in diesen entscheidenden Minuten hatte Herrick gezögert. Noch schlimmer: als die Franzosen die Initiative an sich gerissen hatten und das Schiff von beiden Seiten angreifen konnten, hatte Herrick die falsche Entscheidung getroffen. Bolitho war, als höre er wieder seine Stimme hier in der Kajüte: die Angst, mit der er Gilchrist befohlen hatte, die Enterer abzuwehren. Eben das war falsch gewesen. Eine Defensivmaßnahme in diesem Stadium hätte den Kampfeswillen der Mannschaft erstickt; ebensogut hätte man die Flagge der
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vor ihren Augen streichen können.
    Er zwang sich dazu, Herrick als den Kommandanten der
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zu betrachten und nicht als Thomas Herrick, seinen Freund. Früher hätte er jeden höheren Offizier verachtet, der aus Freundschaft Versagen oder Unfähigkeit deckte. Doch jetzt wußte er, Entscheidungen fielen nicht so leicht und auch nicht so frei von Vorurteil. Herrick hatte ihn beinahe beschworen, auf dem Achterdeck zu bleiben und sich nicht am Kampf zu beteiligen. War das reine Freundschaft, oder weil er Bolithos Rat und Entschlußkraft nicht entbehren konnte? Bolitho hatte bemerkt, wenn auch erst viel später, daß der französische Kommandant achtern geblieben war, während sich seine Männer, die die
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geentert hatten, auf blutigem Pfad vorwärtskämpften. Wie wäre der Kampf verlaufen, überlegte Bolitho, wenn der französische Kommandant an der Spitze seiner Männer in vorderster Front

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