Eine letzte Breitseite
antwortete:
»Ic
h
bin der Flaggkapitän, Mr. Gilchrist. Ich darf Sie bitten, das nicht zu vergessen!« Eine peinliche Stille trat ein, und Farquhar fuhr fort: »Ich darf Sie außerdem bitten, die Räume des Kommodore nicht ohne meine Erlaubnis zu betreten!«
Die Tür fiel zu, Farquhar beugte sich vor und betrachtete den Weinschrank. Seine Stimme war wieder völlig normal. »Ein schönes Stück, Sir. Ich kenne die Arbeiten dieses Tischlers gut.«
Bolitho sah zu Herrick hinüber; doch den konnte er bereits nicht mehr erreichen.
Wei n un d Käse
Captain Charles Farquhar schritt nach achtern, um Bolitho, der an Deck gekommen war, zu begrüßen. Obwohl er ohne Rock und Hut war, schaffte er es doch, so elegant wie immer zu wirken; sein gefälteltes Hemd sah aus wie frisch gewaschen. »Kurs Ostnordost, Sir«, meldete er dienstlich.
Bolitho nickte und schaute zu seinem breiten Stander und den Rahen empor. Der Wind war in der Nacht leicht ausgeschossen, und es gab Anzeichen, daß er abflaute.
Bolitho nahm ein Teleskop vom Gestell und richtete es über die Backbordnetze. Es war, als stünde die Umgebung fest, und die Segel täten nur so, als bewegten sie das Schiff. Und doch war es schon drei mühselige Wochen her, seit er zugesehen hatte, wie Herrick sich zur
Osiri
s
hinüberrudern ließ; zwei dieser Wochen hatten sie hier vor diesem Küstenstrich verbracht. Er studierte das nun schon vertraute haifischblaue Stück Land. Es war so irritierend, sich klarzumachen, daß eben da drüben der geschäftige Hafen von Toulon und hinter seinen schützenden Mauern die Antwort auf seine Spekulationen und Zweifel lag.
»Nicht einmal eine Spur von einem Segel«, brummte Farquhar, »hol sie der Teufel!«
Bolitho legte das Glas wieder zurück und überschaute das Hauptdeck der
Lysander
.
Die Vormittagswache hatte begonnen. Eine Wache wie die vorigen auch. Überall auf dem Deck und hoch oben waren Männer am Werk, spleißten, malten, teerten das stehende Gut, kontrollierten hunderterlei Geschirr auf Fehler und Abnutzung.
Es war beinahe unheimlich, daß der Golfe du Lyon so leer war. Wie zum Hohn. Die Franzosen mußten wissen, daß ein feindliches Geschwader in ihren Gewässern operierte. Jedes Fischerboot konnte es gesichtet und die Nachricht an die nächste Küstengarnison weitergegeben haben. Vielleicht hatten die Franzosen zuviel zu tun, oder sie hatten gar nichts dagegen, daß die Briten lahm hin und her kreuzten, Proviant und Material verbrauchten und nichts damit erreichten.
»Wir müssen uns sehr bald neue Informationen verschaffen oder noch dichter unter Land gehen.«
Gelassen erwiderte Farquhar: »Mehr Fregatten sollten wir haben, Sir.«
Fast wäre Bolitho ihm ärgerlich über den Mund gefahren. Aber Farquhar konnte ja nichts dafür. Bei jeder Mission gab es anscheinend zu wenig Fregatten, doch ohne die war man praktisch blind.
Er spähte nach achtern, wo die große Breitfock der
Osiri
s
in dem unsteten Wind abwechselnd voll und wieder leer wurde, als atme das Schiff keuchend. Sie lag eine Meile zurück, und hinter ihr in Lee war die Prise
Segur
a
gerade noch zu sehen. Wie mochte Probyn wohl mit seiner Patrouille zu den kleinen Inseln östlich von Toulon, welche die Einfahrt schützten, vorankommen? Er hatte Javals
Buzzard
mit; das restliche Geschwader mußte sich mit der Schaluppe begnügen. Bolitho konnte knapp die gelblichen Marssegel der
Harebel
l
ausmachen, die wie Muschelschalen vor der französischen Küste standen. Inch wußte bestimmt, wie wichtig er war. Hoffentlich war er nicht so übereifrig, daß er zu dicht unter Land ging. Dort konnte der Wind ausbleiben oder eine gut plazierte Küstenbatterie ihn erwischen.
Bolitho wandte sich wieder der
Osiri
s
zu. Drei Wochen – und jeden Tag hatte er an Herrick denken müssen. Farquhar folgte seinem Blick und sagte: »Sie segelt gut.«
Nur eine beiläufige Bemerkung, aber typisch für diesen eleganten Kapitän. Ganz gleich, wie lange er auf einem Schiff gesegelt war oder welch dramatische Dinge er darauf erlebt hatte – war er erst einmal von Bord, hatte er auch innere Distanz zu dem Schiff. Er war ohne jede Sentimentalität, ihn interessierte nur die Gegenwart und die Zukunft, die aus ihr erwachsen mochte.
Nichtsdestoweniger mußte Bolitho zugeben, daß Farquhars Tüchtigkeit sich im gesamten Schiff auswirkte. Geschützexerzieren mit Wettbewerben zwischen den einzelnen Batterien und Decks hatte die Zeit für Nachladen und Feuern um Minuten
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