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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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Wärme einer Natur wie der seinen im Widerwillen einer einzigen Sekunde erkalten konnte, wie es bei Elise tatsächlich geschehen war. Er nahm dieses Haus, diese Küche, Ruth selbst in aller Wertschätzung seiner Augen wahr. Aber er erinnerte sich auch allzu genau unschöner Dinge – ihrer Eltern, deren freundliche Güte ihr genügte, aber ihm vielleicht nicht. Harnsbarger stand nicht davon ab, mit abstoßender Unbekümmertheit zu reden und zu spucken und zu husten, und Frau Harnsbarger war dumm. Er fragte sich manchmal, wie Ruth von diesen beiden Menschen abstammen konnte. Sie hatte einen Bruder, der im Dorf in dem Stall arbeitete, wo Pferde verpflegt und vermietet wurden. Er hatte Tom Harnsbarger eines Tages, als ein Gewitter in Dauerregen übergegangen war, kennengelernt.
    »Machen Sie im Dorf halt, dann wird Tom Sie mit einem seiner Wagen zum Bahnhof bringen«, hatte Harnsbarger gesagt.
    In dem leichten Zweisitzer blieb ihm eine Stunde Zeit, die Tiefen von Toms Wesen zu ergründen. Er mußte nicht sehr tief gründen. Tom war ein redseliger, gutmütiger Bursche, der sich am besten auf Pferde verstand.
    »Am liebsten wär' ich Tierarzt geworden«, erzählte Tom. »Aber mein Vater hielt nicht viel davon, Geld hergeben zu müssen, damit ich etwas von Pferden lernte. So nahm ich eine Stelle im Stall an. Das war wohl das beste. Ich hab' im Sinn, ein Mädchen zu heiraten, das was hat. Linda Hofsammer heißt sie, und vielleicht machen wir ein eigenes Geschäft auf.«
    »Das Auto wird Ihrem Geschäft eines Tages schaden«, wandte William ein.
    »Meiner Meinung nach werden gewöhnliche Leute nie ohne Pferde auskommen können«, entgegnete Tom frohgemut.
    An diesen Abend erinnerte er sich deutlich, weil er so spät heimgekehrt war, daß er seiner Mutter beichten mußte, was er getrieben hatte. Sie hatte Gäste zum Abendessen, und seine Verspätung stimmte sie ärgerlich. Und so brach er infolge einer alten kindischen Angst, die er verachtete und doch nicht zu überwinden vermochte, sein Gelübde, ihr nie von Ruth zu erzählen.
    »Ich habe gemalt, Mutter, und das Gewitter hat mich aufgehalten.«
    »Wo ist dieses wunderbare Gemälde, bitte?«
    Am oberen Ende des langen Mahagonitisches erhob sich ihr Haupt höher denn je, weil sie eine kleine Diamanttiara trug. Bei ihrem Anblick zitterte ihm das Herz, ohne daß er Gewalt darüber hatte, wie es in seiner Kindheit zu zittern pflegte, wenn sie abends ins Kinderzimmer hereinfegte, zum Ausgang angezogen, und ihn wegen irgendeiner im Laufe des Tages begangenen Sünde schalt.
    »Ich habe das Motiv in einem steinernen Bauernhaus meilenweit von hier entfernt gefunden«, sagte er allzu munter. »Ein wundervolles Motiv – eine alte, rauchgeschwärzte Küche und ein hübsches Bauernmädchen. Ich male das Mädchen in der Küche.«
    »Bring das Bild her und laß es mich sehen«, befahl seine Mutter.
    An jenem Abend hatte er das Bild mit heimgenommen, weil er zu Hause daran arbeiten wollte, falls es am nächsten Tag regnen würde. So mußte er es aus dem Atelier herunterholen und alle Bemerkungen über sich ergehen lassen. Ob es seiner Mutter gefiel, wußte er nicht. Sie zückte ihre goldgeränderte Lorgnette und betrachtete das Bild – betrachtete nur Ruth, wie es ihm schien. Und sein Vater murmelte bloß etwas von den Schatten unter den Balken. Sie hatten überhaupt nichts geäußert, weder damals noch später. Aber er hatte seine Mutter dann immer wieder zu andern sagen hören: »Kommen Sie einmal und sehen Sie sich an, was William in diesem Winter der Akademie anbieten wird – ein kleines Bauernmädchen! Sie hätte im Ausland gemalt sein können, aber merkwürdigerweise ist das nicht der Fall. Es ist ein Mädchen von einer pennsylvanischen Farm.«
    »Ein recht nettes Bild«, stimmte sein Vater im Wechselchor zu.
    Oftmals war er gezwungen gewesen, sein Bild zu zeigen, und stets fühlte er, während er daneben stand, einen unbestimmten Zorn auf die schönen, wohlgekleideten Frauen, die die Freundinnen seiner Mutter waren, und schämte sich.
    »Reizend!« murmelten die Damen. »Ein hübsches Kind!« – »Wie wunderlich die Küche ist!« – »Sie könnte belgisch sein.« – »Oder englisch.« – »Nein, sie ist holländisch.«
    Und doch wären sie alle miteinander entsetzt gewesen, wenn er gesagt hätte: ›Das ist das Mädchen, in das ich verliebt bin.‹
    Ein Glück, daß er nicht in sie verliebt war nicht ganz!
    »Ich werde Ihnen einen Schein schicken, mit dem Sie die

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