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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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Eisenbahn meines Vaters benutzen können«, sagte er zu Ruth. »Dann werden Sie nach New York fahren und sich dort in einer Ausstellung sehen.«
    »Werden Sie auch da sein?« fragte sie.
    »Natürlich«, antwortete er und bedachte sie mit dem Lächeln, auf das sie immer so schmerzvoll wartete, weil es sie traurig und glücklich machte.
    Wenn sie ihn nicht mehr wiedersah, wollte sie sterben. Wenn er fortging, dann gab es nichts Lebendiges mehr für sie, denn ob sie noch atmete oder nicht, sie wäre tot, sobald sie ihn nicht mehr sah.
    Eines Tages anfangs September war das Bild endlich fertig. Er konnte sich nicht mehr vormachen, daß er noch daran arbeiten müßte, und auch nicht, daß er jetzt aus einem anderen Grunde kam, als um Ruth zu sehen. Er konnte nicht wiederkommen, ohne sich selber einzugestehen, was er an diesem Morgen seiner Mutter gegenüber abgestritten hatte. Denn seine Mutter hatte schließlich etwas gesagt. In ihrer gebieterischen, geraden Art rief sie, als er auf dem Wege zum Eßzimmer an ihrer Türe vorbeiging: »William, komm bitte herein!«
    Er trat ein. Sie frühstückte im Bett; ihre ergrauenden Haare waren weich gelockt, und sie trug ein Spitzenjäckchen.
    »Guten Morgen, Mutter«, sagte er.
    »Setz dich«, forderte sie ihn auf. »William, es stimmt mich besorgt, daß du mit deinem Bild nicht fertig wirst – noch nie hast du für eine Arbeit so lange Zeit gebraucht. Du hast dich doch nicht etwa mit dem Mädchen eingelassen?«
    »Gewiß nicht«, entgegnete er unwillig.
    »Es hätte ja auch gar keinen Sinn«, sagte sie, indem sie ein Stückchen Toast abbrach und es hurtig mit Butter bestrich. »Du würdest sehr unglücklich werden. Die Ehe ist nur erträglich, wenn beide derselben Gesellschaftsschicht angehören. Selbst dann ist sie nicht immer erträglich.«
    Darauf antwortete er nicht. Vor vielen Jahren schon hatte er festgestellt, daß es kein besseres Mittel gab, von ihr loszukommen, als wenn man schwieg.
    »Nun gut, geh frühstücken«, sagte sie. »Immerhin könntest du mir vorher einen Kuß geben.«
    Er kam zu ihr, und plötzlich ergriff sie seine Rechte und hielt sie in ihrer dünnen, kräftigen Hand. »Bestimmt?« drang sie in ihn.
    »Sei nicht töricht, Mutter«, hatte er ungeduldig erwidert und sich gebückt, um sie zu küssen. »Als ob mir das möglich wäre!«
    Am Spätnachmittag tat er den letzten Pinselstrich an dem Bild. Es galt, das Blau in Ruths Augen zu vertiefen. Dann legte er die Palette nieder.
    »Fertig, Ruth«, sagte er. »Kommen Sie und schauen Sie selbst.«
    Sie trat neben ihn und stand eine Weile nachdenklich.
    »Finden Sie, daß ich so aussehe?« fragte sie.
    »Ja«, antwortete er.
    Was sie gewahrte, das war ein rosiges, starkes Mädchen, voller Gesundheit, in blauem Kleide und weißer Schürze. Sie erkannte ihre Hände, die immer ein wenig rauh waren, so daß sie sich ihrer schämte. Er hatte sie nicht geschont.
    »Man wird mich in New York vielleicht auslachen«, meinte sie.
    »Man wird Sie schön finden«, entgegnete er.
    »Ich hätte doch mein Sonntagskleid anziehn sollen«, wandte sie ein.
    »Sie sollten immer nur Blau tragen – wegen Ihrer Augen«, sagte er, und dann fügte er spielerisch hinzu: »Versprechen Sie mir etwas?«
    »Was?« fragte sie schnell, und sie fühlte ihr Herz weich werden. Was konnte er ihr anderes zu sagen haben, als daß er sie liebte?
    »Daß Sie nur noch Blau tragen werden.«
    Sie war so enttäuscht, daß sie am liebsten geweint hätte. »Das kann ich nicht versprechen«, gab sie zurück. »Mein bestes Kleid ist rosa.«
    »Ich habe bloß einen Scherz gemacht«, sagte er hastig.
    »Was kümmert Sie das übrigens, wenn Sie mich doch nicht mehr sehn werden?«
    »Vergessen Sie nicht, daß Sie nach New York kommen werden«, sagte er fröhlich.
    Die ganze Zeit räumte er seine Malsachen auf, und jetzt nahm er das Bild herunter und klappte die Staffelei zusammen. Das Bild war nicht sehr groß; er trug es in einem Rahmen, den er sich für seine noch feuchten Arbeiten ersonnen hatte. Nun war er zum Gehen bereit.
    »Ich verabschiede mich nicht«, sagte er, »weil wir uns ja wiedersehen werden.«
    Sie antwortete nicht, sondern hielt ihm nur ihre Hand hin und versuchte das Weinen zu unterdrücken. Er gewahrte ihre Tränen und verweigerte sich das Vergnügen, Ruth zu trösten. Er ergriff ihre Hand, aber er hielt sie nicht länger als einen Augenblick.
    »Ich schreibe Ihnen, wenn meine Bilder in der Ausstellung hängen«, sagte er, wobei er seine

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