Eine Liebesehe
und daß er ungewöhnlich gut aussah. Da stand ihr Bild auf dem Sims; ihre steten blauen Augen hoben sich, indes sie beim Brotschneiden innehielt. Als er den Salon betrat, dünkte es ihn, als blickte sie ihm entgegen.
»Wie wirst du das Bild nennen?« erkundigte sich sein Vater.
Er antwortete nicht sogleich, sondern begegnete Ruths festen Augen. Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht. »Unser täglich Brot gib uns heute«, sagte er, und er wußte, daß dies richtig war.
Ruth, die sich nach dem Abendessen in der Küche tummelte, versuchte sich vorzustellen, wie wohl sein Elternhaus sein mochte. Sie siebte Mehl, mischte Fett und Milch und maß Hefe ab, um Brot zu backen. Am gleichen Tisch, an dem sie so viele Stunden gestanden, während er sie malte, stand sie jetzt, rührte den Teig in der braunen Steingutschüssel und stülpte ihn auf das Brett, um ihn zu kneten. Und die ganze Zeit bemühten sich ihre Gedanken, das zu sehen, was sie nie erblickt hatte, das Haus, in dem er lebte, die Kleider, die er trug. Abends aßen sie spät. Das wußte sie, weil er oftmals gesagt hatte: »Ich muß mich beeilen, ich komme nicht beizeiten zum Nachtessen, und das lieben meine Eltern nicht.«
»Das ist doch nicht schlimm«, hatte sie das erstemal erwidert, und da hatte er ihr erklärt, daß sie sich abends ihre guten Kleider anzogen und so zur Hauptmahlzeit niederließen – und sie begriff das nicht.
»Geht ihr denn nicht aus, wenn ihr euch groß anzieht?« hatte sie gefragt.
Er hatte gelacht und geantwortet: »Nur manchmal.«
Sie dachte daran, wie sie in großer Aufmachung zu Hause saßen. Und was taten sie? Menschen, die miteinander lebten, hatten einander nicht viel zu sagen. Sie und ihre Eltern sprachen stundenlang kaum zusammen, außer über ihre Arbeit.
Sie seufzte und fuhr fort, mit ihren kräftigen Händen zu kneten, wobei die Daumen den weichen Teig nach innen kehrten. Bald begann die Hefe ihre Wirkung zu tun, und Blasen blubberten, indes sie knetete, und da wußte sie, daß der Teig zum ersten Aufgehen bereit war. Sie rollte ihn zu einer runden Masse, legte ihn wieder in die Schüssel und breitete ein sauberes Tuch darüber. Dann ging sie in der Küche umher, machte das Feuer für die Nacht zurecht und deckte den Frühstückstisch. Die belanglose Tätigkeit erfüllte sie nicht, und im Geiste beschäftigte sie sich damit, an William zu denken. Doch so sehr sie sich auch bemühte, sie vermochte nicht zu sehen, wo er sich befand. Sie konnte ihn nur hier in dieser Küche sehen, wie er Stunde um Stunde gestanden und sie betrachtet hatte. Sie ging zum Tisch und nahm dieselbe Stellung ein, die er ihr angewiesen, und schaute zu der Stelle hinüber, wo er immer gestanden hatte, so daß das Licht durch die offene Türe auf sein Bild fiel.
Aber er war nicht da. Die Türe war geschlossen, und außerdem herrschte Dunkelheit. ›Er wird nie mehr hier sein‹, dachte sie, und sie zwang sich, das zu glauben. ›Es ist alles aus‹, dachte sie, wandte sich der Treppe zu und stieg hinauf. ›Und es ist besser so‹, sagte sie sich, während sie sich auszog und sich in das kleine, niedrige Bett unter dem Dach legte, ›denn ich bin nicht seinesgleichen.‹
Und dann lag sie wach; sie weinte nicht, aber in demütiger Traurigkeit erkannte sie die Wahrheit.
Teuflisch war es, sagte er wütend zu sich, daß er in New York nicht malen konnte. Hier in seiner eigenen Wohnung, wo das Zimmer, das sein Atelier geworden war, gutes Nordlicht hatte, konnte er nicht malen. Die Stadt war voller Bilder. Er sah sie überall. Aber wenn er den Pinsel zur Hand nahm, war seine Kunstfertigkeit verflogen. Er hatte kein Herz für seine Arbeit.
Zuerst meinte er, das liege nur an der Fremdartigkeit der neuen Umgebung und er sei durch die Aufregung über seinen Erfolg ruhelos geworden. Seinen Erfolg hatte Louise weidlich ausgeschlachtet, denn sie war dankbar, einen Vorwand zu haben, Gäste in ihr Haus zu bitten, die sich sonst gewundert hätten, warum sie bei ihr und Monty essen sollten. Sie fand die New Yorker Gesellschaft kalt und zurückhaltend. Philadelphia hätte ein ferner Erdteil sein können. Und Monty hatte Feinde, wie sie entdeckte. Sowie er anderer Leute Geld verlor, haßten sie ihn.
»Obwohl er sein Bestes getan hat, sie reich zu machen!« beklagte sie sich bei William. »Er hat ja auch sein eigenes Geld verloren, aber daran scheinen sie nie zu denken.«
William hatte es genossen, so etwas wie ein junger Salonlöwe zu sein, sogar ein
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