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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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Fröhlichkeit beibehielt.
    Sie verstand so wenig von Ausstellungen, daß sie ihn kaum hörte. Er ging fort, das war alles, und sie liebte ihn. Und als er in ihren Augen sah, was sie fühlte, zitterte und schwankte er und wünschte, daß er schon weg wäre, oder daß jemand hereinkommen würde, oder daß sie zumindest nicht so hübsch oder ihr Atem nicht so süß wäre, oder daß sie ihm weniger bedeutete – oder mehr. Er stand eine bebende Sekunde, und dann zog er sie, voll Haß auf sich selbst, mit dem freien linken Arm an sich und küßte sie, und dann eilte er aus dem Hause und den Weg entlang.
    Er betrat die förmliche, schöne Halle seines Elternhauses und nahm den Schein des flackernden Feuers zwischen den dunklen Samtvorhängen des Salons wahr. Er ging hinein und fand seine Eltern auf das Abendessen warten. Er stand dort in seinem Wanderanzug, das Bild unter dem Arm.
    »Ich bin fertig«, sagte er.
    »Ganz fertig?« fragte seine Mutter.
    »Vollständig«, antwortete er, wobei er sich der tieferen Bedeutung ihrer Worte bewußt war.
    »Dann laß mal sehen«, sagte sein Vater.
    William öffnete die Presse, in der sein Bild eingespannt war, und stellte es auf den Kaminsims zwischen die glänzenden silbernen Kerzenhalter. Die Beleuchtung war gut. Die Schatten vertieften sich, und die Lichter traten hervor. Seine dreidimensionale Technik hatte nie bessere Wirkung gehabt. Der Vater erhob sich, um das Bild zu prüfen.
    »Das ist deine beste Arbeit«, lobte er.
    »Ich weiß«, erwiderte William.
    Es war das einzige Bild, das ihn nach der Fertigstellung vollständig befriedigte. Er erkannte, daß der Vater sich fragte, ob dieses Bild wohl für seine Sammlung gut genug sei.
    »Es ist wirklich recht schön«, äußerte Barton zögernd. »Eine leichte Unreife ist vielleicht der einzige Fehler – ein Fehler, der sich mit der Zeit verlieren wird.«
    »Oh, natürlich ist es noch unreif«, lachte William. »Es ist nicht gut genug, um unter deine Unsterblichen eingereiht zu werden, das weiß ich. Aber eines Tages werde ich es erreichen.«
    Seine Fröhlichkeit erleichterte den Vater. »Sicher, mein Sohn«, sagte er.
    »Da deine Bilder jetzt für die Ausstellung bereit sind«, mischte sich die Mutter ein, »möchtest du vielleicht den Winter in New York verbringen? Vater und ich haben die Sache schon besprochen – eine Junggesellenwohnung, wo du deine Freunde empfangen und auch arbeiten könntest.«
    Er durchschaute ihren Plan und wollte es ihr gerade lachend mitteilen, als ihm plötzlich einfiel, daß es ihm unter Umständen dienlich sein könnte, in New York eine eigene Wohnung zu haben.
    »Danke – das ist sehr lieb von euch, und es würde mir gut passen«, sagte er leichthin. »Jetzt will ich mich zum Nachtessen umziehen. Es dauert nur eine Minute.«
    Er ließ das Bild auf dem Kaminsims, und es belustigte ihn, daß er unwillkürlich gezaudert hatte, es allein bei ihnen zu lassen. Er wußte, daß sie beide, sowie er gegangen war, angespannt Ruth betrachten würden. Aber sie konnte ihre starren Augen ertragen, sagte er sich. Sie vermochten ihre Heiterkeit nicht zu stören. Leicht beschämt dachte er an seinen Kuß. Aber konnte sie auch das ertragen? Wie süß ihre Lippen gewesen waren, wie scheu und weich! Mit erneutem Widerwillen erinnerte er sich an Elises saugenden Kuß. Ruths Lippen waren wie die eines Kindes. Auf diese Entfernung, in diesem warmen, vertrauten Räume schien der Kuß nichts. Er hatte dem jungen Mädchen keinen Schaden zugefügt, und darauf war er sogar ein wenig stolz. Nicht jeder Mann hätte einem jungen und kindlichen Geschöpf gegenüber so streng mit sich selber sein können. Er war sogar fortgegangen, ohne ihr ein Wiedersehen fest zu versprechen. Er wollte das Wiedersehen von Tag zu Tag aufschieben, bis schließlich all sein Verlangen danach eingeschlafen wäre. Dann fiel es ihm leicht, zu vergessen, daß er gesagt hatte, sie sollte einmal nach New York kommen. Auf diese Weise beruhigte sich sein Herz. Andrerseits, dachte er, konnte er sie, wenn es ihm allzu schwer fiel, sie nicht mehr zu sehen, wenn der Wunsch sich nicht so leicht verdrängen ließ, nach New York kommen lassen. Alles war möglich. Keine Türe war verschlossen. Es hing alles davon ab, was für Empfindungen ihn bewegten, und da sich ihm je nach seinen Bedürfnissen sämtliche Möglichkeiten boten, fühlte er sich getröstet.
    Während er die Treppe hinunterlief, erfüllte ihn das glückhafte Bewußtsein, daß ihm wohl zumute war

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