Eine Liebesehe
Herd eingeduselt.
»Kann ich bei euch übernachten?« fragte William brüsk. »Ich habe mich mit meinen Eltern gestritten.«
»Meinetwegen!« hauchte Ruth.
Er nickte. »Sie kennen dich nicht«, sagte er.
Der alte Mann machte ein zorniges Gesicht. »Wofür halten sie uns eigentlich?« fragte er. »Wir sind von gutem Schlage. Dieser Hof gehört uns seit vier Generationen, und nie haben wir einen Menschen um etwas gebeten. Du brauchst Ruth nicht zu heiraten. Sie hat viele Bewerber.«
»Ich will Ruth unbedingt heiraten«, entgegnete William. »Wo kann ich schlafen?«
Frau Harnsbarger war aufgewacht. Sie sah erschrocken aus. »Wird deine Familie die Polizei auf dich hetzen?«
Er lachte laut. »Kaum«, erwiderte er.
Harnsbarger hatte die Uhr fertig aufgezogen und schloß sorgfältig den Deckel. Er freute sich über den Mut des jungen Mannes, und er war überrascht, weil er von einem Maler weniger erwartet hatte. Außerdem versetzte es ihn in gute Laune, daß der Sohn reicher, stolzer Stadtleute sein Vaterhaus verlassen hatte und bei ihm Unterkunft suchte.
»Du kannst Toms Zimmer haben«, sagte er. »Ruth, zeig es ihm.«
Ruth hatte seit ihrem ersten Wort nicht mehr gesprochen. Stumm führte sie ihn jetzt hinauf. Als er auf der spärlich beleuchteten Treppe den Arm um sie legte, wand sie sich los.
»Was ist denn?« fragte er sie.
»Es gefällt mir nicht, daß deine Eltern mich nicht wollen«, antwortete sie.
»Er spielt einzig und allein eine Rolle, daß ich dich will«, sagte er und zwang ihre Lippen zu den seinen.
Sie ergab sich ihm nach einem kleinen Kampf, und dann wollte er sie nicht loslassen, bis sie ihn küßte. Aber an der Tür blieb sie stehen.
»Ich mag nicht hineinkommen«, erklärte sie.
»Warum nicht?«
»Ich hab' keine Lust«, sagte sie undeutlich.
»Hör mal«, begann er, »du machst mir doch wegen meiner Eltern keinen Vorwurf?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, du bist … gut«, erwiderte sie, »weil du mich liebst, meine ich.« Sie blickte zu Boden.
Er flog auf sie zu, schüttelte sie und riß sie an sich.
»Sag das nie wieder!« befahl er. »Nie, nie mehr! In mir ist keine Güte für dich … nur Liebe …« Er hielt sie eine Weile, und dann ließ er sie los.
Und sie stahl sich durch den langen Gang in ihr Zimmer, zog sich aus, schlüpfte in ihr einfaches, weißes Baumwollnachthemd, legte sich zu Bett und lag Stunde um Stunde wach. Ihre Gedanken arbeiteten sich mühsam dahin, tasteten sich den Weg und gelangten immerzu in die gleiche Sackgasse.
›Ich hätte ihm sagen sollen, daß ich ihn nicht heiraten möchte, wenn seine Eltern mich nicht wollen. Dann hätte ich seine Antwort gehört. Ich will nicht, daß er meint, er muß mich heiraten. Aber er muß mich heiraten. Nicht weil ich vielleicht ein Kind bekommen werde. Es heißt nämlich, daß man beim erstenmal oft kein Kind bekommt. Er muß mich heiraten, weil ich ihn so sehr liebe. Ich will alles für ihn tun. Das verspreche ich bei Gott.‹
Sie kletterte aus dem Bett und kniete davor nieder.
›Lieber Gott, ich gelobe, daß ich alles für ihn tun werde.‹
Eine Woche später wurden sie getraut. Er betrat sein Vaterhaus nicht mehr, er schrieb auch nicht und ließ sie nicht wissen, wo er steckte. Sie hatten keine Möglichkeit, seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen, weil sie ihn nie gefragt hatten, wo die Farm lag. So war er für sie verloren. Nachdem es so weit war, wollte er ihnen schreiben, doch erst nach der Hochzeit, wenn er sich wieder in New York befand. Denn sie planten, miteinander in seiner Wohnung zu leben. Ruth hatte in alle seine Wünsche eingewilligt. Er brauchte nur einen Wunsch auszusprechen, und schon stimmte sie ihm zu.
Und in unendlicher Zufriedenheit verbrachte er die Woche mit Malen. Er fühlte sich zur Arbeit gezwungen; so lange hatte er nichts getan, und nun hungerte er nach Arbeit. Er malte eine große Sykomore, die an der Westmauer des Hauses lehnte, einen gefleckten, grotesken alten Baum, der sich aus dem Boden hinaufgezogen hatte, bis seine Wurzeln wie greifende Arme waren.
William arbeitete so angespannt, daß die Woche unversehens verging. Und dann mußte er sich beeilen, um das Bild vor der Hochzeit zu beenden. Er wollte es fertig haben, weil er sich zur Genüge kannte, um zu wissen, daß er sich sonst danach sehnen würde, sogar mitten in der Liebe.
Es wurde fertig; der Tag kam, und William stand neben Ruth im Salon. Der lutherische Geistliche hielt den Gottesdienst, und die
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