Eine Liebesehe
Teil des Tages abseits und malte. Niemand bekam viel von ihm zu sehen, nicht einmal die Kinder. William benahm sich den Kindern gegenüber ganz sonderbar. Manchmal ärgerte sie sich so sehr über sie, daß sie ihn bat, ihr bei der Erziehung zu helfen. Aber er tat es nie.
»Warum soll ich einem andern meinen Willen aufzwingen?« sagte er stets.
»Aber wir müssen sie doch zu anständigen Menschen erziehen«, beharrte sie eines Tages.
»Das wirst du schon tun«, antwortete er mit seinem Lächeln.
Die Mädchen waren recht brav, vor allem Mary, die Älteste, aber bei Hal konnte sie nie sicher sein.
Sie beobachtete ihn nun, den Besen in der Hand. Er hatte mit der Arbeit ganz aufgehört, und plötzlich verschwand er am Ende des Rasens hinter den Apfelbäumen. Sie lehnte ihren Besen an die Türe und ging rasch den Pfad entlang. Er war jedoch fort.
»Ich kann ihm in dieser Augusthitze nicht nachlaufen«, murmelte sie zornig.
Sie war gerade im Begriff, in die Küche zurückzukehren, als sie William auf dem Hügel im Schatten der großen, alten Esche wahrnahm; er malte. Er stand vor seiner Staffelei eine hohe, kühle Gestalt; sein blaues Hemd stach lebhaft von den grünen Bäumen ab. Wie leicht sein Leben war! Er erkundigte sich nie, wie sie alles bewältigte. Sie gebar die Kinder und pflegte sie, besorgte den Haushalt, kümmerte sich um alles, sogar um das Land, während William seine Bilder malte. Sein Anblick in den grünen Schatten verschärfte den Gedanken daran, daß sie ihre Samstagputzerei erst zur Hälfte beendet hatte und daß sie noch das Mittagessen zubereiten mußte. Nachher kam er dann herein und erwartete, daß alles so war, wie es ihm gefiel.
›Diesmal muß er mir beistehen, wenn ich Hal vornehme‹, dachte sie.
Der Ärger verlieh ihr mehr Kraft als gewöhnlich, und sie schritt schnell den niedrigen Hügel zum Obstgarten hinauf. William sah sie nicht. Er sah nichts, wenn er arbeitete. Vielleicht sah er nie etwas. Er lebte in einer Traumwelt, dachte sie oft.
Aber während er das starke, weiße Silber des Flusses auf seine Leinwand setzte, sah er sie, wie er jede Veränderung und jede Betonung in der Landschaft vor sich gewahrte. Er betrachtete sie mit voller Wertschätzung ihres Anteils an dem Bilde, ebenso bewundernd wie an dem Tage, als er sie zum erstenmal in der Landschaft erblickte. Sie war dicker als in ihrer Mädchenzeit, aber das stand ihr nur. Sie würde niemals ein abstoßender Fleischklumpen werden, wie es bei ihrer Mutter vor dem Tode der Fall gewesen war. Ruth hatte zuviel von der Spannung ihres Vaters in sich und außerdem eine Tatkraft, die ihr die Anmut erhielt. Sie ist sehr schön, dachte er mit rasch aufsteigender Leidenschaft, als er sie herankommen sah. Jetzt konnte er ihr Gesicht erkennen; es hatte feste Wangen, war rosig, unberührt von Puder und Schminke oder irgendeiner Verfälschung. Ihre Haare waren immer noch braun und ihre Lippen rot, ihre Augen blauer denn je in dem gebräunten Antlitz. Sie näherte sich ihm, und sie raffte beim Klettern den Rock.
»Da bist du ja, mein Herz«, sagte er liebenswürdig.
Er hatte nicht aufgehört zu malen, und er fuhr fort, die weichen, grünen Ufer des Flusses hinzupinseln.
»William!« rief sie. »Was sollen wir nur mit dem Jungen machen? Er hat mir einfach nicht gehorcht und ist davongelaufen!«
William lachte. Im geheimen konnte er nie glauben, daß die drei kräftigen jungen Geschöpfe, die da im Hause waren, etwas mit ihm zu tun hatten. Praktisch war er natürlich ihr Vater. Das heißt, etwas, das Ruth ihm geschenkt, hatte ihn befähigt, sie zu zeugen; sie waren, so empfand er es, ganz und gar ihres Stammes, die drei robusten, einfältigen Kinder. Sie wurde sehr böse, wenn er sie einfältig nannte, doch selbstverständlich waren sie es, obwohl sie ihm in ihrer Gutmütigkeit gefielen. Jill, die Jüngste, war vielleicht etwas weniger einfältig als die andern.
»Du solltest den Jungen am Samstagvormittag nicht arbeiten lassen, Liebes«, sagte er freundlich.
Sie war so schön, daß er ihren Mund zu küssen wünschte. Es gab keine andere Frau in der Welt, dachte er zärtlich, die wie Ruth einen Mann vergessen machen konnte, daß er schon viele Jahre mit ihr verheiratet war, so daß er, als sie plötzlich neben ihm im Sonnenschein auftauchte, lebhaftes Verlangen spürte, ihren Mund wie das erstemal zu küssen. Er kannte genau jede Biegung und Linie ihres Körpers, und gleichwohl schien sie ihm immer wieder neu. Oft sann er darüber
Weitere Kostenlose Bücher