Eine Liebesehe
von allem, was gesagt und geplant werden mußte, beschwert. Und jeder trug außerdem eine geheime Bürde. Er dachte: ›Wie soll ich es meinen Eltern mitteilen?‹ Und sie dachte: ›Wie kann ich schnell genügend lernen, um seine Frau zu werden?‹
Keiner von ihnen konnte diese Fragen beantworten, und weil sie es nicht vermochten, beschäftigten sie sich um so eifriger mit der Einfachheit der Liebe. Weil sie sich im stillen bangten, sehnten sie sich danach, fester miteinander verbunden zu sein, so daß niemand imstande sein würde, sie zu trennen.
Sie begaben sich in den Obstgarten und ließen sich in dem hohen Gras nieder, und in dieser Verborgenheit schoben sie alles beiseite. Es war leichter, zu lieben, als zu denken. Sie bot ihm ihre Lippen mit begieriger Wollust, da sie nun seine Frau werden sollte. Und er liebkoste ihren Hals, ihre weichen Arme, nahm ihre Hände und küßte die Handflächen. Sie rochen nach Seife, sauber und unparfümiert. Sie entzog ihm die Hände.
»Ich schäme mich meiner Hände«,sagte sie. »Sie eignen sich nicht dazu, daß du sie küßt.«
»Ich liebe sie«, versetzte er leidenschaftlich. »Es sind starke, gute Hände, schöne Hände. Wenn ich sie halte, habe ich das Gefühl, daß ich wirklich etwas halte.« Er küßte sie wieder und legte sie an seine Wangen. »Mein Geliebtes«, murmelte er, »mein innig Geliebtes!«
Sie fand keine Worte, die es mit seinen hätten aufnehmen können. Sie konnte ihm nur zitternd zuhören. Seine Worte waren Musik und Gesang.
»Ich liebe alles, alles an dir«, sagte er, »deine gebogenen Wimpern, dein Haar, die Linie vom Kinn zum Halsansatz. Wenn du gehst, denke ich an Wind, der über Weizen weht. Du bist Erde und Wasser und Brot und Sonne.«
Sie hatte keine Ahnung, was er meinte, aber sie sah das Beben seiner Lippen und das Flammen seiner dunklen Augen. Und als er sie in die Arme nahm, gab sie sich ihm ganz. Warum nicht, wenn sie doch heiraten würden? Sie hatte sich nach ihm gesehnt. In dieser reichen Landschaft war es keine Sünde, daß Mann und Frau sich fanden, wenn die Heirat beschlossen war. Manch ein erstgeborenes Kind kam kurz nach der Hochzeit zur Welt. Und er ließ unbarmherzig alle Vorsicht außer acht, dachte nicht an die Möglichkeit nachfolgender Reue. Dies war die Rückkehr, die Rückkehr seines ganzen Wesens zu sich selbst.
»Ich möchte dir nicht weh tun«, murmelte er. »Sag es mir, wenn ich dir weh tue.«
Aber sie hätte jeglichen Schmerz ertragen, wenn er sich mit dieser Freude mischte, die sie ergriff und schwach und stark machte, mit dieser Wonne, in der sie sich verlor und sich fand.
Keine Worte waren notwendig. Worte hindern und hemmen. Sie hatte keine, und er verlangte sie nicht von ihr. Ihr kräftiger, frischer Leib genügte, und durch sie fand er Befriedigung. Sein tiefster Hunger wurde durch sie gestillt. Und dann lag er in einem solchen Frieden, wie er ihn nie gekannt. Unter ihm die Erde, über ihm der Himmel, und dazwischen war er.
Er lag und schlief; sein Haupt ruhte in ihrem Schoße, und sie saß regungslos, wach, so wach, wie sie noch nie seit ihrer Geburt gewesen. Dies war ihr Mann. Sie beugte sich mit solcher Zärtlichkeit über ihn, daß sie in der Brust körperlichen Schmerz fühlte. Wie weit stand er über ihr! Aber diese Tatsache, die sie so sehr geängstigt hatte, daß sie nicht darüber nachzudenken wagte, schreckte sie nicht mehr. Sie wußte nun, wie sie ihn trösten und halten konnte. Sie hatte keine Worte für die Liebe, doch gab es für sie andere Möglichkeiten.
›Ich werde gut für ihn sein – besser als irgendeine andere sein könnte. Ich will ihn nie entbehren lassen‹, dachte sie.
Er begab sich an diesem Abend in sein Vaterhaus, wo er der Überraschung seiner Eltern mit absichtlicher Sachlichkeit begegnete.
»Du hättest uns deine Ankunft telegraphieren sollen, William«, sagte seine Mutter. »Dann hätten wir dich an der Bahn abgeholt.«
»Ich war nicht sicher, wann ich fortkonnte«, erwiderte er.
Er fühlte sich von dem nachmittäglichen Liebeserlebnis ganz benommen. Alles war noch immer davon umnebelt. Er und Ruth waren in der Abenddämmerung zum Hof zurückgegangen, und dort hatten sie Ruths Vater getroffen, der bereits Bescheid wußte, jedoch wartete, daß er gefragt wurde.
»Hoffentlich haben Sie nichts dagegen, daß wir heiraten«, sagte William.
»Das hat gar keinen Zweck, wenn Ruth einverstanden ist«, gab Harnsbarger zurück. »Allerdings hatte ich gehofft, eine Hilfe auf der
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