Eine Luege ist nicht genug
das Letzte, was ich noch tun musste, um Hamilton davon zu überzeugen, dass er gehen musste. Außerdem bedeutete es, dass ich mich noch zwei weitere Tage von meinen Schwestern fernhalten konnte.
Ich klopfte auf meine Taschen. »Im Prospekt gibt es eine Wegbeschreibung.«
Es sah so aus, als wäre auch für Roscoe und Gilbert das Ende der Party gekommen. Sie warfen gerade ein paar Zweiliterflaschen mit neonfarbener Limonade auf den Vordersitz, als wir nach draußen kamen. Seltsamerweise waren Claude und Mrs Prince bei ihnen.
»Ihr beiden Jungs brecht auf?«, fragte Hamilton.
»W as heißt aufbrechen? Wir fahren dich!«, sagte der Dünne und lachte.
»Hamilton, ich habe die Jungs gebeten, dich für uns zu der Einrichtung zu bringen«, sagte Claude. »W ir vertrauen ihnen. Sie sind alte Freunde der Familie.«
Mein Spidermangespür drehte durch. Hier stank etwas – schlimmer als der Fluss.
»›Alte Freunde der Familie‹? Was zum Teufel soll das heißen?«, verlangte Hamilton zu wissen. »Ich war mit ihnen zusammen im Sportunterricht in der sechsten Klasse!«
»Es macht mir wirklich nichts aus«, sagte ich zu seinen Eltern.
»Du hast schon so viel gemacht«, sagte Mrs Prince zu mir und nahm meine Hand. Ihre Haut fühlte sich an wie die wärmenden Strahlen der Sonne.
»Ich will, dass Horatio mich fährt«, beharrte Hamilton.
»Es ist schon entschieden«, sagte Claude. In seiner Stimme lag ein scharfer Ton, und ich fragte mich, ob uns nicht gerade gesagt wurde, wir sollten lieber den Ausweg wählen, den er uns bot, und auch noch dankbar dafür sein.
»Ich denke, das geht schon in Ordnung«, sagte ich zu Hamilton, wobei ich Claudes Gesicht nicht aus den Augen ließ. Es war nicht überraschend, dass Claude wollte, dass sein Stiefsohn nichts mehr mit mir zu tun hatte, und ich wollte nicht, dass Hamilton einen Rückzieher machte. »Ich komm dich besuchen, wenn du dich eingerichtet hast, und bring dir ein paar Zigaretten. Die sind da drin so viel wert wie Geld.«
»Ich danke dir, Horatio«, sagte Mrs Prince. »Du bist ein guter Freund.«
»W enigstens habe ich einen«, knurrte Hamilton. Er warf seine Taschen in den Kofferraum des Dodge Charger der Zwillinge. »W as springt für euch dabei heraus, Jungs?«
»Ein nagelneuer Supercharger!«, sagte Gilbert.
»Mr Prince hat ihn bezahlt und ihn sogar selbst eingebaut«, sagte Roscoe.
»Sehr gut«, sagte ich zu Claude. »Sie haben doch eine Zeit als Mechaniker für Elsinore gearbeitet, oder?« Und dann, als wäre es mir gerade eingefallen: »Und waren Sie nicht auch Chemiker?«
Ich dachte, er würde mich jetzt böse anstarren, doch stattdessen lächelte er, was viel unheimlicher war.
»Auf Wiedersehen, Horatio«, sagte er, wobei er nicht geruhte, mir die Hand zu geben. »V ielleicht kann Hamilton beim nächsten Mal dich besuchen.«
»Ja«, sagte ich. »Es besteht noch Hoffnung.«
Claude drehte sich lächelnd zu Roscoe und Gilbert. »Also, ich vertraue euch Jungs, dass ihr abwartet, bis ihr sicher auf dem offenen Highway seid, ehe ihr mit diesem Supercharger richtig loslegt.«
»W huuu!«, schrie Roscoe und Gilbert versetzte ihm einen schlappen Stoß.
Ich ging zu Hamilton und gab ihm einen letzten Händedruck. »Mach’s gut, Kumpel.«
Er nahm meine Hand und zog mich plötzlich in eine heftige Umarmung. Zum Glück konnte ich es mir leisten, diese kräftig zu erwidern. Denn eins ist sicher: Ich stehe nur auf Mädchen.
»Danke für alles, Horatio. Das vergesse ich dir nie.«
Roscoe und Gilbert standen kopfschüttelnd daneben. »Mann«, murmelte einer von ihnen.
»Jetzt aber los«, sagte ich zu Hamilton.
Er kletterte auf den Rücksitz des Wagens und mit einer schmetternden Interpretation von »Dixie« aus dem Drucklufthorn zog der Charger über die Auffahrt davon. Während ich ihnen nachsah, dachte ich, dass das Einzige, was sie davon abhalten würde, noch vor dem Highway deutlich schneller als hundert zu fahren, die gewundene und hügelige Straße selbst wäre, die sich von einer Seite zur anderen zwischen den Bergen entlangschlängelte.
Mrs Prince drehte sich um, stieg die Stufen zum Haus hinauf und ließ mich mit Claude allein. Er trat näher.
»Ich weiß, du bist anderer Meinung, Horatio, aber ich habe nichts mit dem Tod meines Bruders zu tun«, sagte er. »Ist das klar?«
»So klar wie der Copenhagen River«, antwortete ich.
Ich hatte nun irgendetwas Fieses von ihm erwartet, aber stattdessen lächelte er nur wie ein fetter Mann vor einem
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