Eine Lüge macht noch keine Liebe! (German Edition)
sie den Job an.
Luisa, Gaias Mutter, war eine
noch relativ junge Frau und als Chefin sehr unauffällig und geduldig. Sie nahm
es Lara nicht übel, dass sie ein paar Tage brauchte, um sich an die neue
Aufgabe zu gewöhnen, doch es klappte bald recht gut. Mit ihren dreißig Jahren
war sie älter als die anderen jungen Mädchen, die hier arbeiteten, und es
stellte sich schnell heraus, dass sie ein dankbares Opfer für die verhassten
Schlussdienste war. Da Lara es selten eilig hatte, nach der Arbeit nach Hause
zu kommen, übernahm sie klaglos die leidigen Pflichten, aufzuräumen, den Boden
zu wischen, die Mülleimer zu leeren und die Flaschen zu entsorgen und gab den
meist noch recht jungen Dingern dadurch die Gelegenheit, eine halbe Stunde
früher zum Treffen mit ihren ragazzi zu verschwinden. Kein Wunder also, dass
sie in kürzester Zeit sehr beliebt war.
Nach etwa drei Wochen nahm Luisa
sie zur Seite.
„Lass dich von den Gören doch
nicht so ausnutzen, sie sollen dir gefälligst dabei helfen! Es passt mir nicht,
dass immer du die Dreckarbeit machst!“
„Ach lass nur, Luisa, das geht
schon in Ordnung. Sollen sie doch zu ihren Verabredungen gehen, sie sind ja
noch so jung und begeistert vom Leben.“
„Na und du? Bist du vielleicht
schon hundert Jahre alt?“
„Ja, manchmal schon!“
Sie sprach nicht weiter. Sie
hatte keine Lust zu erklären, dass es ihr lieber war, wenn sie fast bewusstlos
vor Müdigkeit ins Bett fiel und dass sie ihren freien Tag beinahe fürchtete.
„Das macht mir nichts aus, glaub
mir!“, versicherte sie stattdessen.
„Wenn du das sagst, kann ich dir
nicht helfen! Aber morgen will ich dich hier nicht sehen. Es ist Mittwoch, wir
haben keine Reservierungen und es sind genug Mädchen da, um die Arbeit zu
machen. Schlaf dich aus und mach dir einen schönen Tag. Und nun sieh zu, dass
du ins Bett kommst, ich mache das hier fertig!“
Ohne auf Laras Proteste zu
achten, nahm sie ihr den Besen aus der Hand und nahm sich vor, mit ihrer
Tochter ein ernstes Wort zu reden.
Lara war heilfroh, diese
Ablenkung gefunden zu haben. Bei der Arbeit kam sie wenigstens nicht dazu,
zuviel zu grübeln. Mehr als einmal hatte sie tatsächlich mit dem Gedanken
gespielt, auf Gaia zu hören und einem Gespräch mit Alessandro zuzustimmen, doch
jedes Mal entschied sie sich erneut dagegen - es gab ganz einfach nichts mehr
zu reden!
An diesem Mittwoch fuhr sie
wieder einmal in der Gegend spazieren. Immer öfter sah sie sich dabei in
letzter Zeit die Häuser, an denen sie vorbeikam, genauer an, suchte nach
Schildern, die Interessenten darüber informierten, dass dieses oder jenes Haus
zu verkaufen sei. Der März rückte unbarmherzig näher und es wurde langsam Zeit,
sich nach einer geeigneten Bleibe umzusehen. Der Gedanke verursachte ihr
Unbehagen, doch sie zwang sich dazu, die Suche wenigstens halbherzig
fortzuführen. Sie würde bleiben, und das bedeutete, dass sie etwas Eigenes
finden musste. Es sollte allerdings ein paar Kilometer von Mesola entfernt
sein, hatte sie entschieden, sie fühlte sich dort einfach nicht mehr so wohl
wie früher. Das Risiko, Alessandro zufällig irgendwo über den Weg zu laufen,
war ihr zu groß, daher hatte sie es sich auch angewöhnt, zum Einkaufen über den
Fluss ins Veneto zu fahren. Das Dorf, das sie so geliebt hatte, mied sie so gut
es ging.
Auf ihrer Fahrt überquerte sie
diesmal den Po di Venezia, den breitesten der sieben Mündungsarme, und folgte
dessen linkem Ufer bis an die Mündung. In gemächlichem Tempo zuckelte sie die
Schotterwege entlang und stellte mit einigem Befremden fest, dass tatsächlich
schon die ersten Anzeichen des nahenden Frühlings zu entdecken waren. An
manchen Bäumen zeigten sich bereits die ersten grünen Knospen, das Gras fing an
zu sprießen, das Licht, der Himmel und der Fluss, der ihn spiegelte, hatten
eine andere Tönung angenommen. Vereinzelt blinzelten auch ein paar vorwitzige
Blüten aus den Gräsern an den Uferdämmen.
Als sie mit dem Auto nicht mehr
weiter kam, ließ sie es stehen und ging die letzten Meter bis zur Mündung zu
Fuß. Sie versank ein wenig im weichen Schwemmsand, doch als sie schließlich die
Landspitze erreicht hatte, an der der große Fluss sich ins Meer ergoss, blieb
sie überwältigt stehen. Die Stelle, an der sie sich befand, ähnelte mit ihren
Büschen und Gräsern, mit dem angeschwemmten Treibgut und dem Schilf so sehr
derjenigen, die Alessandro ihr im Herbst bei ihrem Picknick gezeigt hatte, dass
sie glaubte,
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