Eine Lüge macht noch keine Liebe! (German Edition)
eingestellt, damit umzugehen.
Sie sah auf die Uhr. Es war
inzwischen kurz nach sieben und sie überlegte, was sie tun wollte. Einem
plötzlichen Impuls folgend zog sie sich warm an, schlüpfte in feste Schuhe und
brach zu einem Spaziergang auf.
Die Welt draußen war wie
verwandelt. Eine dicke, geschlossene Schneedecke dämpfte alle Geräusche und
vermittelte ihr unversehens die bisher fehlende Weihnachtsstimmung. Niemand war
auf der Straße, kein Auto fuhr und sie war ganz alleine unterwegs. Die Straße
zum Marktplatz war eine einzige, unberührte, weiße Fläche. Übermütig formte sie
ein paar Schneebälle und warf sie ziellos in die Luft. Erst als sie die Piazza
erreichte, begegneten ihr die ersten Menschen.
Die bunten Lichterketten, die
Straßenlaternen und die weiße Pracht stimmten sie heiter. Ein paar Männer mit
Besen versuchten mit eher wenig Erfolg, die Fußwege vor ihren Läden vom Schnee
zu befreien oder ihre Autos abzukehren. Die kleinen, zu Kugeln gestutzten
Steineichen entlang der Straße hatten weiße Überzüge an den Zweigen und weiße
Streifen entlang der Stämme zeigten, mit welcher Wucht der Sturm den Schnee vor
sich hergejagt hatte. Nun war wirklich Winter, so wie man ihn sich nur wünschen
konnte.
Lara betrat Angelas Bar und
bestellte sich eine Tasse Tee. Im Stimmengewirr um sie her kam ausnahmslos die
Fassungslosigkeit und Verwunderung über diese Laune der Natur zum Ausdruck. Es
war das einzige Gesprächsthema aller, die es von zu Hause bis hierher geschafft
hatten. Sie unterhielt sich mit einer Gruppe älterer Herren, die sich darüber
uneins waren, wann in dieser Gegend der letzte Schnee gefallen sein mochte.
Ungläubig wanderte immer wieder einer nach dem anderen zur Tür, um
hinauszusehen und dann kopfschüttelnd wieder an seinen Platz zurückzukehren.
Für die Menschen, deren Alltag nach dem Fest wieder weiterging, bedeutete
dieser unerwartete Schneefall eine ungewohnte Belastung. Sie würden unsicher
und vorsichtig fahren, sie mussten mit den Schneemengen vor ihren Haustüren
fertig werden und auch mit der überraschenden Kälte, die der Wintereinbruch
mitgebracht hatte. Lara fragte sich, ob wohl alle Heizungen hier darauf
eingerichtet waren, Temperaturen unter Null Grad zu bewältigen und war froh,
dass dies zumindest in Valeries Haus kein Problem darstellte.
Nach etwa einer Stunde machte sie
sich langsam wieder auf den Heimweg. Es war tatsächlich sehr kalt und sie war
schließlich froh, wieder zu Hause angelangt zu sein. Sie brühte sich eine Kanne
Tee auf und machte es sich auf dem Sofa bequem.
Am Tag ihrer Abreise holte
Alessandro sie sehr früh schon ab. Er hatte natürlich darauf bestanden, sie zum
Flughafen zu bringen und da ihr Flug erst am Nachmittag ging, wollten sie den
Tag gemeinsam verbringen.
„Freust du dich auf Venedig?“
„Das würde ich vielleicht, wenn
ich nicht gerade abreisen müsste.“
„Versuch einfach, es ein wenig zu
genießen! In dieser Jahreszeit hat es seinen eigenen Reiz, es sind kaum
Touristen da und du erlebst es einmal so, wie es sein könnte, wenn es nur eine
ganz normale Kleinstadt wäre."
Er hatte Recht, sie sollte sich die
paar gemeinsamen Stunden, die noch blieben, nicht durch den Gedanken trüben
lassen, dass sie sich am Nachmittag trennen würden.
Ihr fiel erneut auf, wie sehr er
sich in den letzten Wochen mit all seinen Plänen und Aktivitäten auf sie
konzentriert hatte. Alles, was sie gemeinsam unternahmen, schien nur das eine
Ziel zu haben: ihr eine Freude zu machen. Warum war ihr das nicht schon früher
aufgefallen? Er legte seinen ganzen Tagesablauf nur noch darauf aus, seine Zeit
mit ihr zu verbringen und sie zu unterhalten, als gäbe es für ihn nichts
Wichtigeres zu tun. Wie hatte sie nur so lange glauben können, er wolle nichts
außer einer flüchtigen Affäre von ihr? Alles was er tat, sprach in eindeutigen
Worten und Gesten dagegen, alles schien zu beweisen, wie ernst es ihm mit ihr
war. Sie dachte wieder an ihre gemeinsame Reise nach Rom. Er hatte ihr jeden
Wunsch von den Augen abgelesen, war jeder ihrer Regungen nachgekommen, hatte
alles getan, damit sie die Tage genoss. Dabei war es eigentlich sein Urlaub
gewesen, nicht ihrer! Es war beinahe unheimlich, dass es so einen Mann
überhaupt gab, der dazu noch unverschämt attraktiv und ein einfühlsamer und
zugleich leidenschaftlicher Liebhaber war.
Wir werden ja sehen, welche Macke
er hat, dachte sie amüsiert, irgendwo an diesem perfekten Typen muss doch der
Haken
Weitere Kostenlose Bücher