Eine Luege macht noch keine Liebe!
amüsiert, irgendwo an diesem perfekten Typen muss doch der Haken sein! Wenn sie in ihrem kurzen und recht behüteten Leben etwas gelernt hatte, dann immerhin das: kein Licht ohne Schatten. Bisher jedenfalls kannte sie von Alessandro nur die Schokoladenseite, aber irgendeinen Fehler musste schließlich sogar er haben! Nur - welchen?
Sie kamen nur langsam voran, da die Straßen noch vereist und viele verunsicherte Autofahrer unterwegs waren. Sie stellten das Auto an der Piazzale Roma ab und nahmen den Vaporetto zum Markusplatz. Tatsächlich schafften sie es, in der legendären Harrys Bar einen kleinen Tisch zu ergattern und genehmigten sich den für alle Touristen obligatorischen Bellini. Allerdings war Lara schockiert über die Preise und als sie dann noch im Caffè Florian für zwei Cappuccini und ein kleines Mineralwasser fast so viel zahlten wie andernorts für ein ganzes Mittagessen, hatte sie von den weltbekannten Lokalitäten genug und wollte lieber ein Stück ruhigeres Venedig erkunden.
Alessandro hatte mit seiner Vermutung richtig gelegen, es waren nur sehr wenige Besucher unterwegs. Die Stadt lag unter einer bleischweren, grauen Wolkendecke und bot ihren typischen, morbiden Charme denen, die sich darauf einlassen wollten. Hinzu kam der ungewohnte Anblick verschneiter Gondeln und mit kleinen Eiszapfen geschmückter Laternen. Hand in Hand bummelten sie ziellos durch schmale Gässchen und über kleine Brücken, ohne darauf zu achten, wohin sie gingen. Ihr Weg führte sie schließlich irgendwann an die Rialtobrücke, die sie überquerten, um auf der anderen Seite ihre Wanderung fortzusetzen.
Plötzlich blieb Lara vor einer Boutique stehen.
„Ich habe für Silvester noch nichts anzuziehen“, bemerkte sie ganz nebenbei.
Er verstand sofort. „Du brauchst unbedingt dieses Kleid, nicht wahr? Ich bin sicher, es steht dir ganz ausgezeichnet. Komm, probier’s doch an.“
Ehe er die Tür öffnen konnte, hielt sie ihn zurück.
„Warte einen Moment“, bat sie eindringlich.
Er sprach nie über Geld, so als hätte er es im Überfluss. Sie registrierte das mit einer Mischung aus Bewunderung, Amüsement und Unbehagen, doch sie war insgeheim überzeugt, dass der Anschein trog, den er erwecken wollte. Um seinen Stolz nicht zu verletzen, hatte sie immer zurückhaltend reagiert, wenn er ihr etwas kaufen wollte, das ihr gefiel. Wenn sie nicht selber zahlen konnte, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen, verzichtete sie lieber darauf. Diesmal aber, entschied sie, wollte sie weder verzichten, noch ihn dafür bezahlen lassen. Ihrem flinken Blick war das Preisschild des Modells im Schaufenster nicht entgangen und sie würde ihn auf keinen Fall so viel Geld für sie ausgeben lassen.
„Hör mal“, begann sie vorsichtig, „möchtest du mir eine Freude machen?“
„Natürlich“, wie sie erwartet hatte, reagierte er misstrauisch. „Was führst du denn im Schilde?“
„Eigentlich nichts. Nur stelle ich es mir sehr romantisch vor, dich bei meiner Rückkehr mit etwas zu überraschen, das du vorher noch nicht gesehen hast! Wie wäre es denn, wenn du einstweilen in der Bar dort nebenan etwas trinken gehst und mich einfach alleine einkaufen lässt? Einverstanden?“
Er fixierte sie mit einem prüfenden Blick.
„Lara, du willst doch einfach nur verhindern, dass ich dir den Fummel kaufe, das ist alles. Versuch nicht, mich hinters Licht zu führen, ich durchschaue dich.“
Sie zuckte die Schultern und verdrehte ungeduldig die Augen.
„Sei kein Spielverderber. Was glaubst du, wie viel Geld ich mir dieses Jahr spare, weil ich fast keine Weihnachtsgeschenke brauche? Davon machst du dir gar keine Vorstellung, also verdirb mir nicht die Freude, ja?“
„Wie du willst“, er gab überraschend schnell nach. „Dann nimm dir ruhig Zeit und such dir etwas Schönes aus.“
Das Geschäft war klein, aber fein. Lara probierte das Modell aus dem Schaufenster und wie Alessandro vorhergesagt hatte, stand es ihr hervorragend.
Sie zahlte mit ihrer Kreditkarte und war froh, dass sie ihn dazu hatte überreden können, sie alleine zu lassen.
Von der Bar aus, in der sie Alessandro vermutete, war der Eingang des Geschäfts nicht zu sehen. Schnell huschte sie hinaus und um die Ecke. Dort hatte sie auf dem Weg hierher einen Herrenausstatter entdeckt, sie fand ihn sofort wieder und bekam, was sie gesucht hatte: einen unverschämt teuren königsblauen Schal aus einem Seide-Kaschmir Gemisch. Da er gerne Schwarz trug, würde er ihn gut kombinieren
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