Eine magische Nacht. Roman
König aller Elfen.« Janelle hob das Kinn zu einer Pose, die Kane in den letzten zwei Tagen nur allzu vertraut geworden war. »Wie sind Sie überhaupt hier hereingekommen?« Kane sah, dass sie immer noch an der Tür lehnte und völlig durcheinander war. Ob sie wohl bereits ahnte, dass er sie lesen konnte?
»Für wen halten Sie sich, dass Sie glauben, mir vorschreiben zu können, wohin ich gehen oder nicht gehen kann?« Oberon, daran gewöhnt, dass man ihn fürchtete und ihm gehorchte, machte sich nicht einmal die Mühe, seine Stimme zu erheben.
Janelle richtete sich auf und trat mit ernster Miene einen Schritt vor. »Ich gehöre zu den Ärzten, die in diesem Laden hier arbeiten. Deshalb. Erklären Sie, wer Sie sind und was Sie wollen, bevor ich den Sicherheitsdienst rufe und Sie hinauswerfen lasse.«
Das konnte nicht gutgehen. Schnell schaltete Kane sich ein. »Janelle, er ist hier, weil ich ihn gerufen habe.«
Ausdruckslos sah Janelle ihn an. »Du hast diesen
Elfenkönig
in eine Arztpraxis eingeladen? Während der Geschäftszeiten? Hier laufen überall Patienten, Schwestern und andere Ärzte herum. Als Nächstes wirst du wohl mit deinem Pferdepopo die Flure rauf-und runtergaloppieren? Wir bemühen uns, diese Praxis sauber zu halten und halbwegs zurechnungsfähig zu bleiben.«
»Damit willst du wohl sagen, ich hätte ihn in deiner Wohnung rufen sollen.«
»Wenn es unbedingt sein musste, ja. Das wäre wenigstens etwas vorsichtiger gewesen.«
»Seid ihr beide jetzt fertig?«, unterbrach Oberon sie und fuhr, ohne eine Antwort abzuwarten, an seinen Sohn gewandt fort: »Ich nehme an, du hast mich gerufen, um mir gegenüber Rechenschaft abzulegen.«
»Nein, Sir, nicht deshalb. Ich bin davon ausgegangen, dass du bereits davon erfahren hast …«
»Dein Hoher Druide wäre fast in Ungnade gefallen, als er mir die Einzelheiten darlegte, aber er war zumindest Manns genug, eine Erklärung abzugeben. Und warum habe ich von deiner Vendetta nichts gewusst? Ich dachte, du warst damit einverstanden, dass Riordans Exilierung Strafe genug sei.« Oberon warf die Arme hoch. »Offensichtlich habe ich mich da getäuscht.«
Nur mit Mühe gelang es Kane, die Geduld nicht zu verlieren. »Alles andere hatte ich dir nicht erzählt, weil ich dich nicht in unsere …«
»Wenn du mich nicht gerufen hast, um mir die Einzelheiten mitzuteilen, warum zum Teufel hast du dir dann überhaupt die Mühe gemacht, mich zu rufen?«
Kane wurde wütend. »Wenn du mich einmal einen Satz beenden lässt, kann ich es dir ja vielleicht sagen.«
»Also bitte.« Oberon zog die königlichen Augenbrauen hoch. »Nun hast du einen beendet. Rede also.«
»Ich bin doch kein Hund.« Kane kniff die Augen zusammen. »Und seit genau drei Tagen bin ich auch nicht mehr dein Nachfolger. Du hast Riordan vor zweitausend Jahren verstoßen. Er soll dein Nachfolger sein.« Angesichts dessen, was er nun tun musste, verflog sein Zorn, und Kane kratzte allen Mut und jedes Jota Ehre, das er tatsächlich haben mochte, zusammen. Er hatte keine andere Wahl. »Ich möchte, dass du mich verstößt.«
Offensichtlich verblüfft, sah Oberon seinen Sohn nur wortlos an.
»Du weißt, dass es das Richtige ist.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein. Der Junge hat zweitausend Jahre lang in einem Felsen gelebt. Er kann das Reich nicht regieren, wenn ich nicht mehr bin.«
Als würde Oberon überhaupt jemals den Löffel abgeben. Kane rang um Geduld. »Er ist ein erwachsener Mann, den eine schmerzvolle Erfahrung nur weiser gemacht hat. Auch besitzt er Mitgefühl. Weiß Gott, mich hat er so viel anständiger behandelt, als ich es auch nur ansatzweise verdient hätte. Er wäre ein guter Regent.« Und Kane war es ernst mit allem, was er sagte, wobei er gleichzeitig jedes einzelne Wort hasste. Aber alles entsprach der Wahrheit.
Ȇberleg doch mal, es gibt noch ein weiteres gutes Argument, das dagegen spricht. Er ist jetzt ein Mensch.
Mensch
wie
menschlich
. Seine Lebensspanne entspricht kaum mehr als der eines Insekts. Was für eine Art Regent wäre denn wohl ein menschliches Wesen?«
»Einer, der Mitgefühl besitzt«, antwortete Kane ruhig.
»Das mag sein. Aber ich weiß nicht einmal, ob der Ältestenrat da zustimmen würde. Eine solche Situation ist bisher noch nicht aufgetreten. Ein Mensch als König aller Elfen?« Oberons Ton und Miene stellten klar, dass er die Idee absurd fand.
»Dann überzeugst du den Ältestenrat eben. Wir haben Riordan beide unrecht getan. Du, indem du mich
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