Eine Marcelli gibt nicht auf
schwankte zwischen unglaublicher Wut und betäubender Depression – was ihr beides nicht sonderlich gefiel.
Sie wollte sich einfach wieder normal fühlen und nicht länger mit Katie streiten.
Was in der vergangenen Woche passiert war, tat ihr noch immer leid. Auch wenn sie den Standpunkt ihrer Schwester nicht teilte, konnte sie verstehen, warum Katie sich Sorgen um sie machte. In Wahrheit freute sie sich über die Fürsorge, was bedeutete, dass es ziemlich bescheuert war, nicht mit ihr zu reden. Aber wenn sie ihre Schwester anrief, würde das in gewisser Weise ein Eingeständnis sein, dass Katie recht haben könnte, und auf solch eine Unterhaltung hatte Brenna definitiv keine Lust.
Aber sie vermisste ihre Schwester, und jetzt, nachdem Francesca sich mit Jeff in Verbindung gesetzt und sich mit ihm verabredet hatte, zweifelte Brenna immer mehr an ihrer Entscheidung. Wollte sie wirklich, dass ihr Exmann sich an ihre Zwillingsschwester heranmachte?
Statt sich weiter mit dem Chaos in ihrem Leben zu beschäftigen, hob Brenna das Gesicht in die Sonne und atmete die frische Frühlingsluft ein. Es war Mai – ein geschäftiger Monat auf dem Weingut. Eine Woche zuvor hatte man auf den südlichsten Hängen mit dem Rebschnitt begonnen.
Apropos Wein ... sie hockte sich hin, um den Rebstock näher zu betrachten, und tastete die robuste Pflanze ab. Grüne Blätter bedeckten die neuen und auch die alten Zweige. Winzige Blüten leuchteten in der nachmittäglichen Brise. Grüne Ranken reckten sich der Sonne entgegen.
»Nicht mehr lange«, sagte sie und zog an einer Ranke, bis sie sich vom Stamm löste.
Die sogenannte Erziehung des Weins war sowohl eine Kunst als auch eine Wissenschaft. Jeder Rebstock produzierte ein Übermaß an Blättern, Blüten und neuen Zweigen. Extra dafür ausgebildete Arbeiter gingen durch die Weinberge und schnitten alles Überflüssige ab, sodass die gesündesten und stärksten Zweige übrig blieben und somit den besten Wein produzierten. Wenn zu viel abgeschnitten wurde, gab es nur eine bescheidende, enttäuschende Ernte. Ließ man zu viel stehen, konnten die Trauben nicht so wachsen und reifen, wie sie sollten. Sonne und Luft mussten wie Meereswellen durch die Weinstöcke hindurchfließen können.
Brenna richtete sich auf und streckte ihren schmerzenden Rücken. Es war die erste Woche des Rebschnitts, wovon der Muskelkater zeugte, den sie bekommen hatte. Der Schmerz war wie ein alter Freund – fast vergessen, aber immer noch mit alten Erinnerungen behaftet. Sie wusste, dass Grandpa Lorenzo darauf bestanden hatte, dass sie selbst mit Hand anlegte, um ihre Entschlossenheit zu prüfen. Doch darüber machte Brenna sich keine Sorgen, sie würde weder aufgeben noch scheitern.
Sie berührte ein weiteres Blatt. Hier im südlichen Teil von Kalifornien gab es keinen Frost, aber in den weiter nördlich gelegenen Weinanbaugebieten konnte er großen Schaden anrichten. Jeden Tag sprach sie mit den dortigen Managern und gewöhnte sich langsam wieder an den Rhythmus des Weinanbaus.
Sie machte sich auf den Weg zur Grundstücksgrenze. Während der vergangenen Wochen war sie jeweils unterschiedliche Teile des Anwesens abgegangen, um sich erneut mit dem vertraut zu machen, was einst ihr Leben bestimmt hatte. Wenn sie sich gestattete, an all das zu denken, was sie durch die Heirat mit Jeff verloren hatte, wollte sie am liebsten die Faust gen Himmel strecken und nach Gerechtigkeit schreien. Leider konnte sie niemandem als sich selbst die Schuld geben. Sie hatte den, wie es damals schien, leichteren Weg gewählt. Leider hatte sie sich einen egoistischen Kerl ausgesucht, der sie und ihre Zuneigung ausgenutzt hatte. Und obwohl sie ihm alles gegeben hatte, war ihr letztlich nichts geblieben.
Als sie am Zaun ankam, unterzog sie ihn einer genauen Überprüfung. Die Pfeiler waren allesamt fest im Boden verankert. Gerade als sie sich wieder abwenden wollte, um zu den Rebstöcken im östlichen Teil zurückzukehren, sah sie jemanden auf sich zukommen. Jemanden auf der anderen Seite des Zaunes. Der bösen Wild-Sea-Vineyard-Seite.
Aus einer Vielzahl von Gründen wäre sie am liebsten im Erdboden versunken. Einer davon war, dass sie gekleidet war wie eine Tagesaushilfe. Ein weiterer, dass sie in den letzten Wochen fünf Pfund zugenommen hatte. Die Mischung aus Selbstmitleid und den Kochkünsten der Grannys war ihren Hüften und Schenkeln nicht unbedingt gut bekommen.
Der dritte und vielleicht wichtigste Grund war der, dass
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