Eine Marcelli gibt nicht auf
Scheidung, ihre eigene Dummheit und sogar die andere Frau akzeptieren. Aber was sie ihm nie im Leben vergeben würde, war, dass er versucht hatte, ihr das Land, den Wein und den Traum, den sie für ihn aufgegeben hatte, zu nehmen. Wut beschrieb nicht annähernd das, was sie empfand, genauso wenig wie Rage. Sie wollte Jeff nicht nur in die Wüste schicken, sie wollte ihn zerstören. Die guten Vorsätze, vernünftig zu bleiben, waren in dem Moment vergessen gewesen, als Jeff seinen Anteil am Marcelli-Weingut gefordert hatte.
Brenna richtete sich auf und hob das Gesicht dem Regen entgegen. Kalte Tropfen rannen ihr wie Tränen über das Gesicht. Doch diese Feuchtigkeit heilte. Sie hauchte nicht nur dem Wein, sondern auch Brenna neues Leben ein.
Sie hatte ihrem Ehemann ihr Herz, ihren Körper und ihre Seele geschenkt, doch wie sich herausstellte, hatte er das nicht zu schätzen gewusst. Offensichtlich gehörte ihr Körper wieder ihr selbst, und auch wenn sie keine Verwendung mehr für ihr Herz hatte – mit der Liebe würde sie nie wieder etwas am Hut haben wollen –, musste ihre Seele Frieden finden. Sonst würde Brenna niemals wieder zu der Frau werden, die sie einmal gewesen war.
»Du bist durch und durch eine Marcelli. Du kommst immer wieder zum Wein zurück.«
Als sie die vertraute Stimme hörte und sah, wie Grandpa Lorenzo auf sie zukam, drehte sie sich um. Er trug eine schwere Jacke und hatte eine Kappe auf seinem weißen Haar. Irgendwann in der Zeit, als sie zu sehr mit ihrer Ehe beschäftigt gewesen war, war er zu einem alten Mann geworden. Sein Rücken war gekrümmt, und seine Hände waren knorrig geworden. Doch als er zu ihr trat, fühlte sie sich sicher, so wie damals, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war.
»Du hast recht, was den Wein angeht«, sagte sie und blickte in die Ferne. »Ich kann ihm nicht entkommen.«
»Nicht mal, wenn du es versuchst. Ich habe die Sache mit deinem Mann gehört. Dass er versucht, uns einen Teil von alldem hier wegzunehmen. Das wird ihm niemals gelingen. Das alles hier gehört nur der Familie.«
»Ich weiß, Grandpa.« Bei seinen Worten bekam sie ein schlechtes Gewissen, als wäre Jeffs Gier ihre Schuld. »Ich hätte ihn nie heiraten sollen.«
»Stimmt. Aber wir haben ihn alle falsch eingeschätzt.«
Brenna war sich nicht sicher, ob irgendjemand etwas anderes als Erleichterung verspürt hatte, weil sie – wie es sich gehörte – so früh geheiratet hatte. Schon mit achtzehn hatte sie sich dem Druck ausgesetzt gefühlt, früh zu heiraten und einen Erben in die Welt zu setzen. Sie überlegte, was die gegenwärtigen Umstände wohl bei einem Kind angerichtet hätten.
»Zumindest waren wir schlau genug, keine Kinder zu bekommen«, sagte sie. »Es ist besser, dass sie so etwas nicht durchmachen müssen. Außerdem wäre Jeff dann auf immer und ewig mit unserer Familie verbunden gewesen.«
Sie erwartete, dass ihr Großvater ihr zustimmte, doch Grandpa Lorenzo seufzte. »Ich hätte so manche Sünde vergeben, wenn ich einen Enkel bekommen hätte.«
Zorn flackerte in ihr auf. »Du musst langsam mal über deine Geschlechtervorurteile hinwegkommen, Grandpa. Wir leben in einem neuen Jahrtausend. Frauen sind genauso fähig wie Männer, und sie bekommen jetzt endlich die Chance, das auch zu beweisen.«
Der alte Lorenzo schaute sie an. »Sie mögen vielleicht fähig sein, aber sind sie auch genauso loyal? Du bist gegangen. Hast dem Wein den Rücken gekehrt und ihn vergessen.«
»Das ist nicht fair«, protestierte sie. »Du wolltest, dass ich heirate. Ihr alle wolltet das. Mein Leben lang wurde mir erzählt, dass es meine Pflicht sei, mir einen Mann zu suchen und eine Familie zu gründen. Ich habe getan, was ich tun sollte, und jetzt machst du mir Vorwürfe, weil ich weggegangen bin?«
Er überhörte ihre Frage. »Was hast du jetzt vor?«
»Mir einen Job suchen.« Ernst sah sie ihn an. »Ich möchte hier arbeiten.«
»Ich glaube, im Souvenirladen brauchen sie noch jemanden«, erwiderte er.
Sie trat zurück, als hätte er sie geschlagen. Tränen schossen ihr in die Augen, doch sie blinzelte sie fort. Ihr Großvater erwartete Schwäche, also würde sie stark sein müssen, um sich zu beweisen.
»Abgesehen von dir weiß niemand mehr über den Wein als ich«, erklärte sie.
»Du wusstest mal so viel, aber das ist neun Jahre her. An was kannst du dich denn überhaupt noch erinnern?«
Sie dachte an die Jahre, in denen sie einen verhassten Bürojob verrichtet hatte, und an
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