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Eine Messe für all die Toten

Eine Messe für all die Toten

Titel: Eine Messe für all die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Trottel, das weißt du
ganz genau. Niemand hat mich je hier rauskommen sehen. Und wenn schon. Jetzt
erkennt mich doch keiner.» Er lehnte sich rasch zu ihr hinüber und öffnete den
obersten Blusenknopf. Und den nächsten.
    Wie immer mischten sich in ihrer Reaktion Ekel
und Sinnenkitzel — eine gefährliche Kombination. Bis vor kurzem war sie noch
Jungfrau gewesen. Erst jetzt war sie sich der Macht ihres Körpers richtig
bewußt geworden. Sie legte sich passiv zurück, während er sie streichelte —
weit über den Punkt hinaus, den sie noch bis vor ein paar Monaten genossen oder
sich auch nur gestattet hätte. Willenlos ließ sie sich vom Sofa hochziehen und
folgte ihm ins Schlafzimmer.
    Der Koitus war nicht besonders denkwürdig, ganz
gewiß nicht ekstatisch, aber er befriedigte sie, wie meist. Doch danach lag sie
wieder schweigend im Bett und kam sich billig und gedemütigt vor. Nicht nur ihr
Körper war nackt, sondern auch ihre Seele war entblößt. Instinktiv zog sie sich
die Decke bis zum Hals und hoffte, daß er sie wenigstens eine Weile mit seinen
Händen und seinen Blicken in Ruhe lassen würde. Wie sie ihn verachtete. Aber
nicht halb so sehr wie sich selbst.
    Es mußte aufhören. Sie haßte den Mann und die
Macht, die er über sie hatte, und doch brauchte sie ihn und seine Männlichkeit.
Er hatte sich erstaunlich fit gehalten... aber das... war ja auch eigentlich...
kein Wunder...
    Sie schlief ein.
     
     
    Als sie an der Tür stand, den Regenmantel locker
über den Schultern, fragte er: «Mittwoch um dieselbe Zeit?»
    Wieder sah sie ganz klar das Entwürdigende ihrer
Lage. Ihre Lippen zuckten. «Einmal muß Schluß sein. Das weißt du.»
    Er lächelte arrogant. «Red dir nichts ein. Du
kannst doch gar nicht Schluß machen.»
    «Ich kann damit aufhören, wann ich will, und
weder du noch sonst jemand—»
    «Ach ja? Du steckst in der Sache ebenso tief
drin wie ich, vergiß das nicht.»
    Sie schüttelte heftig den Kopf. «Du hast gesagt,
daß du weggehen würdest. Du hast es versprochen.»
    «Mach ich auch. Sehr bald sogar, Schätzchen.
Ehrlich. Aber bis ich gehe, treffen wir uns, ist das klar? Wir treffen uns,
wann ich will und so oft ich will. Und erzähl mir nicht, daß es dir keinen Spaß
macht, das nehm ich dir nämlich nicht ab.»
    Ja, es machte ihr Spaß, und ihre Augen brannten
bei seinen gemeinen Worten. Wie konnte sie einen Mann so sehr hassen und
trotzdem zulassen, daß er mit ihr schlief? So konnte es nicht weitergehen.
Dabei gab es eine sehr einfache Lösung. Sie brauchte nur zu Morse zu gehen, ihm
alles zu sagen und die Folgen auf sich zu nehmen. Soviel Mut würde sie doch
wohl noch aufbringen können?
    Der Mann beobachtete sie scharf. Er erriet
einiges von dem, was ihr durch den Kopf ging. Er war es gewöhnt, schnelle
Entscheidungen zu treffen. Und er sah seinen nächsten Zug so klar vor sich wie
ein Großmeister, der mit einem Neuling am Schachbrett sitzt. Daß er das
Problem, das die Frau darstellte, irgendwie würde lösen müssen, hatte er von
Anfang an gewußt. Er hatte zwar gehofft, er könne es noch eine Weile vor sich
herschieben, aber jetzt eilte es. Für ihn kam weit vor dem Sex die Macht, und
so sollte es auch bleiben.
    Er trat zu ihr, legte ihr leicht die Hände auf
die Schultern und sah ihr forschend in die Augen. Sein Gesicht wirkte
überraschend freundlich und verständnisvoll.
    «Ich will dir keinen Kummer machen, Ruth», sagte
er leise.
    «Komm, setz dich noch einen Augenblick. Ich
möchte mit dir reden.» Sanft nahm er ihren Arm und führte sie zum Sofa. Sie
wehrte sich nicht. «Ich werde nichts mehr von dir verlangen, Ruth, das
verspreche ich dir. Wir werden uns nicht mehr treffen, wenn du es wirklich
nicht willst. Ich kann es nicht ertragen, wenn du so unglücklich bist.»
    Es war viele Wochen her, seit er so geredet
hatte, und in ihrer tiefen Verstörung war sie ihm plötzlich unendlich dankbar
für seine Worte.
    «Wie gesagt, bald gehe ich weg, dann kannst du
mich vergessen, und wir werden beide versuchen, nicht mehr an das Unrecht zu
denken, das wir begangen haben. Denn es war Unrecht. Nicht daß wir zusammen ins
Bett gegangen sind, das meine ich nicht. Das war etwas sehr Schönes für mich,
etwas, was ich nie bereuen werde. Und ich hatte gehofft, du würdest es ebenso
empfinden. Aber lassen wir das. Versprich mir eins, Ruth. Wenn du doch wieder
zu mir kommen willst, solange ich noch hier bin, komm bitte. Du weißt, daß ich
mich nach dir sehne. Daß ich auf dich

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