Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Messe für all die Toten

Eine Messe für all die Toten

Titel: Eine Messe für all die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
— in Trance versetzt.
    Zehn Minuten später verglich Lewis seinen
Totoschein mit den Ergebnissen aus dem Sunday Express, und Morse lehnte
sich auf dem Sofa zurück und schloß die Augen, in Gedanken beschäftigt mit dem
Tod und mit Leuten, die in ihr Grab... in ihr Grab gesenkt wurden...
     
     
    Wo war er nur? Morse zuckte zusammen, blinzelte
und war wach. Lewis las noch die letzte Seite des Sunday Express, und
auf dem Fernsehschirm stieg ein Butler gemessenen Schrittes die Treppe zum
Weinkeller hinunter.
    Da war die Lösung. Noch heute vormittag hatte er
sie vor Augen gehabt. Lautlos verfluchte Morse seine Blindheit. «In der Gruft
sind die irdischen Überreste...» Erregung rann kribbelnd durch seinen ganzen
Körper. Er stand auf und zog den Vorhang ein Stück zurück. Es war dunkel, an
der Scheibe hingen feine Tröpfchen. Hatte das nicht Zeit? Was war mit einem
weiteren nächtlichen Besuch in einer dunklen, verlassenen Kirche gewonnen? Aber
Morse wußte, daß er nicht warten konnte, und er wollte es auch gar nicht.
    «Tut mir leid, Mrs. Lewis, ich muß Ihnen Ihren
Mann noch mal entführen. Aber es dauert nicht lange. Und herzlichen Dank für
das gute Abendessen.»
    Mrs. Lewis holte schweigend die Schuhe ihres
Mannes aus der Küche. Auch Lewis sagte nichts. Er legte die Zeitung zusammen
und fand sich damit ab, daß sein System ihm wieder nicht das große Geld
gebracht hatte. Immer waren es die angeblich todsicheren Tips, über die er
stolperte. Wie in diesem Fall auch, dachte er, während er sich die Schuhe
anzog. Und wo, zum Teufel, sollte es jetzt wieder hingehen?
    Es zeigte sich, daß die Kirche weder dunkel noch
verlassen war. Als sich die Tür am Nordportal knarrend öffnete, sahen sie in
gedämpftes Licht.
    «Glauben Sie, daß der Mörder hier ist, Sir, und
seine Sünden beichtet?»
    «Irgendjemand beichtet jedenfalls», sagte Morse
halblaut.
    Er hatte leises Murmeln gehört und deutete auf
die geschlossenen Vorhänge des Beichtstuhls.
    Gleich darauf kam eine ihrer Sünden vermutlich
ledige, attraktive junge Frau heraus und verließ mit klappernden Absätzen die
Kirche, ohne die beiden Männer anzusehen.
    «Hübsches Ding.»
    «Hm. Mag sein, daß sie was zu bieten hat, Lewis,
aber ob Ihnen das so richtig schmecken würde...»
    «Wie war das, Sir?»
    Kanonikus Meiklejohn kam ihnen auf leisen
Gummisohlen entgegen und nahm die lange, grün bestickte Stola vom Hals.
    «Welcher von Ihnen möchte den Anfang machen?»
    «Bedaure, aber mein Sündenregister ist heute
noch nicht lang genug», sagte Morse.
    «Wir sind allzumal Sünder», sagte Meiklejohn
ernst. «Leider ist nun mal die Sünde der natürliche Zustand der verderbten
Menschheit.»
    «Hat die Kirche eine Krypta?» fragte Morse.
    Meiklejohn kniff ein wenig die Augen zusammen.
«Ja, aber — äh — die kann nicht besichtigt werden. Man hat mir gesagt, daß seit
zehn Jahren niemand mehr unten war. Die Stufen sind morsch und —»
    Wieder fiel ihm Morse ins Wort. «Wie kommen wir
hinein?»
    Meiklejohn, der diese Tonart nicht gewöhnt war,
runzelte verstimmt die Stirn. «Sie können nicht hinein. Jedenfalls nicht jetzt.
Ich muß zu einer Sitzung, um —»
    «Es dürfte Ihnen bekannt sein, Sir, daß wir
nicht hier sind, um Ihr normannisches Taufbecken zu besichtigen. Die Polizei
ermittelt in einem Mordfall — in einer Serie von Mordfällen — und erwartet ein
gewisses Maß an Unterstützung von der Öffentlichkeit. Und im Augenblick sind Sie die Öffentlichkeit. Wie kommen wir hinein?»
    Meiklejohn holte tief Luft. Es war ein langer
Tag gewesen, und er war abgespannt. «Sie brauchen mit mir nicht zu reden wie
mit einem bockigen Kind, Inspector. Warten Sie, ich hole nur meinen Mantel.»
    Er verschwand kurz in der Sakristei. Morse sah,
wie abgetragen der dicke dunkle Mantel war. Die schwarzen Schuhe waren alt und
rissig.
    «Die werden wir brauchen.» Meiklejohn deutete
auf eine sechs Meter lange Leiter, die am Südportal lehnte.
    Ziemlich umständlich manövrierten Morse und
Lewis die lange Leiter auf den Friedhof. Dort folgten sie Meiklejohn über das
nasse Gras. Eine Straßenlampe warf mattes Licht auf die unregelmäßigen
Gräberreihen zu ihrer Rechten, aber die Kirchenmauer lag in tiefem Dunkel.
    «Hier wären wir», sagte Meiklejohn. Seine
Gestalt hob sich schwarz über einem etwa eineinhalb mal zwei Meter großen
Eisengitter ab, das auf den Rändern eines rechteckigen gemauerten Schachtes lag.
Durch die ursprünglich schwarz angestrichenen und jetzt

Weitere Kostenlose Bücher