Eine Minute der Menschheit.
Art beträchtliche Summen, aber »One Human Minute« schweigt sich über solche Verluste aus, weil — wiederum angeblich — die Großfinanz sie nicht in die Öffentlichkeit durchsickern lassen will, um nicht zu enthüllen, daß eine neue Achillesferse in Form der »elektronischen Unterminierung der automatischen Buchführung« entstanden ist. So fehlt denn im Buch das Stich wort »Computer Crime«, aber früher oder später wird es in einer der nächsten Auflagen bestimmt auftauchen.
Weil das Copyright den Titel des Buches schützt, nicht aber die Idee, der es sein Entstehen verdankt, findet man jetzt in den Buchhandlungen »The World Happening«, »What Happens Now«, »Phantastische Wirklichkeit - Wirkliche Phantastik«, wobei die statistischen Angaben in den Dezimalzahlen ein wenig verändert sind, so daß die Herausgeber von »One Human Minute« in den Gerichten einen schweren Stand hätten, wollten sie das Plagiat einklagen. Alle diese Nachahmungen sind natürlich über einen Leisten geschlagen, nur einmal, als ich in einem dieser Bücher blätterte, fand ich eine ziemlich originelle Einleitung. Sie forderte den Leser zu folgender Überlegung auf: Die völlig objektive Wahrheit geben die Medien nirgends bekannt. Es herrscht folgende Gesetzmäßigkeit: Je schlechtere Nachrichten die örtliche Presse bringt, desto größere Freiheiten genießt das betreffende Land, desto besser geht es dort den Menschen. Wenn also die Publizisten die Hände ringen, sich die Haare raufen, das Ende voraussagen, über den Ruin jammern, dann fließen durch die Straßen ganze Ströme glitzernder Autos, in den Auslagen türmen sich Berge der erlesensten Fressalien, alle laufen sonngebräunt und rotwangig herum, leichter findet man einen Brillanten auf der Straße als einen armen Teufel, der gefesselt, unter Bajonetten ins Gefängnis geführt wird. Und umgekehrt: Heitere Nachrichten, voll kraftstrotzender Süße und freudiger Entschiedenheit (solche, die in drohendem Ton alle zur Teilnahme am allgemeinen Glück aufrufen), Presseinformationen, die das Leben in Regenbogenfarben malen (obschon es oft ein Regenbogen ist, der erst erstrahlen wird - aber schon bald), das alles mit Rosensaft übergössen, findet man gewöhnlich dort, wo die Gefängnisse überfüllt sind, wo Niedergeschlagenheit und Angst herrschen, wo das heulende Elend zu Hause ist. Diese Einleitung nun sprach von der wichtigen Rolle, die »One Human Minute« (oder ihre Entsprechung) erfüllt, wenn es restlos wahre Information liefert.
Angeblich soll die ursprüngliche »One Human Minute« computerisiert werden, damit man sie auf dem Bildschirm des Heimcomputers abrufen kann. Die Mehrheit der Menschen zieht, nach altem Brauch, den Band im Bücherregal vor, also wird auch dieses Buch, das zum »Buch aller Bücher« werden sollte, die Masse des bedruckten Papiers vergrößern.
Wohl kann man darin die Information finden, wieviele Bäume in der ganzen Welt in jeder Minute von einer Säge oder einer Axt gefällt werden. Diese Wälder verarbeitet man dann zu Papier für die Zeitungen, die zur Rettung der Wälder aufrufen. Aber diese Information enthält »One Human Minute« nicht. Die muß man sich schon selber hinzudenken.
III
»One Human Minute« wurde tatsächlich computerisiert, aber nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Sagen wir es offen heraus: Der Inhalt des Buches ist, wenn auch langsam, anachronistisch geworden. Immer mehr Menschen bevölkern die Erde, zu den längst bekannten Katastrophen und Plagen gesellen sich neue, veränderte Produktionsmethoden stellen andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs her als früher. Deshalb mußte man das Buch, ebenso wie statistische Jahrbücher, bei jeder Neuauflage neu redigieren oder, genauer gesagt, aufs neue berechnen. Bis jemand auftauchte, der noch findiger war als die Brüder Johnson: Er beschloß, gestützt auf den »ewigen Kalender«, eine ewige — von Jahr zu Jahr gültig bleibende - »Eine Minute der Menschheit« zu schreiben und auf den Markt zu werfen. In der Epoche elektronischer Taschenrechner, ebensolcher Schachspieler und Tausender ähnlicher Produkte, die vorgeben, die Verkörperung der »künstlichen Intelligenz« zu sein (noch ist keines dieser Produkte so weit, aber wahrscheinlich wird es einmal dazu kommen), da man sich einen Taschenübersetzer kaufen und mit seiner Hilfe einfache Gespräche in einer Fremdsprache führen kann, konnte man sich auch an eine solche — keine ständigen Korrekturen
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